Bostjans Flug - Roman
jedoch widersetzte sich merklich. Sie wollte nicht mit den beiden mitgehen, aber weil sie nur kurz auf den Posten kommen sollte und weil er versprach, daß sie nach der Erledigung sofort zurückkehren würde, gab sie nach. Nun ist aber schon so viel Zeit vergangen und die Mutter noch immer nicht da. Ugav war ein freundlicher Herr, sie würden ihn fragen, ob die Mutter die Sache schon erledigt habe oder ob es noch etwas dauern werde, und wenn, dann würden sie gleich warten; sie würden höflich und ohne jede Weinerlichkeit fragen, um den Mann nicht zu erzürnen, damit er nicht auffahren und es nicht auch noch im Trottoir zu stöhnen beginnen würde. Sie hätten sich auf die Suche nach ihr gemacht, seien sie holen gekommen, um mit ihr gemeinsam nach Hause zu gehen, aber vorher wollten sie, mit seiner Erlaubnis, noch in die Bäckerei schauen, wo es so aus der Tür duftet.
Und so nähern sie sich Ugav, stellen sich vor ihn hin und fragen schüchtern, ob die Mutter, wie sie ihnen versprochen habe, schon fertig sei, und wenn noch nicht, daß sie auf sie warten würden. Kein Wunder, daß sie einen Knödel im Hals haben, daß ihre Worte gepreßt klingen und ihnen schwer über die Lippen kommen. Die Abzeichen schauen sie an und wissen nicht, wohin mit ihnen, es ist ja nicht so, daß es nur ein einziges Haus gibt, und die Ähnlichkeit dieser Menschen ist wirklich erstaunlich, ihre Nichtswürdigkeit macht sie ununterscheidbar und alle gleich; man sieht, wie der Mann mit den Schulterabzeichen hin und her überlegt und sortiert, sich in der näheren und weiteren Umgebung zu orientieren versucht, bis ihm die Buben
doch jenen frühmorgendlichen Weg durch den Graben in Erinnerung rufen, jenen beschwerlichen Aufstieg in Tesen. Jetzt werden die Abzeichen dienstlich und erklären irgend etwas, was sie nicht verstehen; und noch während sie auf sie schimpfen, von sich aus Fragen an sie richten und vergebens auf eine Antwort warten, wirken sie freundlich. Die beiden verstehen die fremden Worte nicht, die freundlich sind, das schon, und es sind nur einige wenige, jedoch freundlich aus Verstellung und Unwillen, und bei keinem einzigen Wort ist ihnen wohl. Aus diesen wenigen, noch dazu immer gleichen, sich ständig wiederholenden Worten erfassen sie, spüren sie, daß der Mann keine Achtung hat vor ihrer Sprache. Es gibt kein Ehrgefühl in diesem wortkargen Land, dieser Produktionsstätte von Krämerseelen, dieser banausischen Leichenhalle, unter seiner Würde ist es, womit sie ihn belästigen und langweilen. Sein Blick wird finster, etwas ist ihm in die falsche Kehle geraten, sein Unwille drückt sich auch in seinen Gesten aus, denen sie entnehmen, daß die Mutter noch immer nicht fertig ist und daß es noch dauern wird, bis es soweit ist. Da heißt es warten und Geduld haben, denn die Verrichtungen auf dem Posten sind immer mühsam, umständlich und genau. Der Gendarm hat es eilig, zu lange schon halten sie ihn auf, man sieht, daß er mit seinem Kontrollgang im Verzug ist; vielleicht kommt es im unteren Ort bereits zu Unruhen, gerät die Ordnung außer Kontrolle, schleicht sich der Feind in den Markt, während er hier die Zeit mit Kindereien vertut.
Auch die zwei beeilen sich und kehren auf demselben Weg zurück. Im Graben, bei der Abzweigung nach Tesen, wo auch der Otavarsteig hinzukommt, überlegen sie an der Wegscheide hin und her, welchen Seitenarm sie nehmen sollen. Aus dem
einen heraus sind sie seit dem Morgen unterwegs, im Markt nutzlose Worte verlierend; der andere Weg würde bedeuten, in die Fremde zu gehen, sich auch noch dem letzten greifbaren Refugium zu entfremden, das nun ihnen zur Obhut übergeben wurde, würde bedeuten, auf den letzten Halm zu verzichten, an den sie sich noch klammern könnten, und außerdem haftet die Fremdheit des Marktes zu stark an ihnen, diese Ration steckt ihnen noch in der Kehle, an dem Tag haben sie genug davon. Und während sie noch zweifelnd vor dem Steig stehen, der zu tief im Dunkel liegt, als daß sie sich trauen würden, den Weg zu den Bekannten einzuschlagen, machen sie sich wieder zum leeren Elternhaus auf.
I n jenem Herbst, als das Fahrrad des Vaters nicht mehr die Zeit anzeigte, als das Jahr völlig verrückt geworden war und alle Wochen auseinanderbröckelten, als das Frühjahr auf den Überresten des Winters herbstete, dem es, weil er sich unverschämt in den Sommer hineinmischte, noch nicht gelungen war, zum Frühling zu werden; als der Brand das kleine, von Klatschmohn und
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