Bostjans Flug - Roman
freilich nicht aufhalten; das Stallgebäude, wo früher einmal die durch die Ritzen einfallenden Lichtstrahlen so bereitwillig die Tenne erleuchteten, gibt es leider schon lange nicht mehr; der Stall ist vorausgegangen, er hat dem Haus den Weg gewiesen. Wichtig ist es, in Fluß zu bleiben, nicht ins Stocken zu geraten, damit sich die Bitterkeit nicht über den ganzen Körper ausbreiten kann. Er möchte noch alles sehen, sich in den Räumen bewegen, solange sie da sind, noch die eine oder andere Nacht schlafen, wo er früher geschlafen hatte, sich an den Tisch setzen, vor dem die Mutter gestanden war, ehe sie abgeführt wurde, am Bett der Großmutter stehen, neuerlich ihrer ätherischen Verwandlung beiwohnen. Die Großmutter hatte als letzte, aber noch vor ihm das Haus verlassen. Die Wände nahmen von ihm Besitz, der Geruch der Räume wehte ihn an und versetzte ihn in die Zeiten, als noch alle Gebäude standen und die Flächen rundherum wirtschaftlich genutzt wurden. Der Vater las ihm vom schlafenden Gesicht ab, daß er auch in seinen Träumen, im Geist noch in dieser Gegend umherzog. Neulich hatte er ihn wie gewohnt geweckt, aus seinen Träumen aufgeschreckt: Er stand in voller Breite im Türrahmen, als er ihn am frühen Morgen anfuhr und ihm die Decke vom Bett zog. Während andere sich einen schönen Tag machen, brechen die beiden mit Werkzeug beladen in den Wald auf, schlägern einige schöne Bäu
me und schaffen sie bis an den Fahrweg. Boštjan geht dem Vater zur Hand, schwingt die Axt und hackt die Äste ab, zieht mit dem Zappin die gekappten Stämme zurecht und dreht sie mit dem dickeren Ende dem Weg zu, wirft das abgehackte Reisig beiseite. Die Axtschläge hallen mit einiger Verzögerung wider, schießen zwischen den Bäumen hin und her, der Wald ist voller Zappingepickel, unter den Goiserern rascheln hart die Fichtennadeln, Lichtstrahlen brechen sich im Gezweig.
Danach machen sie sich an die mächtige, allein stehende Fichte. Der Vater wählt für sie eine sichere, ebene Richtung aus, eine freie Lichtung, in die noch voll die späten Sonnenstrahlen fallen. Sie arbeiten still, das Schweigen bringt und mehrt die Leistung, stärkt den Geist, lockert die Kräfte, die im letzten Teil der Woche, im letzten Teil des Tages besonders nötig sind. Das Schweigen wird unterbrochen vom Knirschen der Zugsäge und dem Knistern und Prasseln des Reisigs unter den Tritten. Vornübergebeugt knien sie im Moos und ziehen an den Griffen der Säge, die sich singend über ihren Schenkeln bewegt und deren Zähne nach den zurückweichenden Lenden schnappen, zu gern zögen sie eine blutige Spur über den Bauch, zu gern zeichneten sie eine Eiterkrätze quer auf die Brust. Die Sonne nähert sich dem Untergang. Boštjan sieht den Vater auf der anderen Seite des Stammes nicht mehr, der Baumstamm verdeckt ihn ganz, nur die bebende Säge, die im Dickholz verschwindet, zeugt davon, daß am anderen Ende ein Mensch ist. Boštjan treibt sie in ihrem Schnittbett, konzentriert seinen Blick auf den Spalt, aus dem die grimmigen Zähne die Späne in Strähnen herausreißen, sein Gesicht nahe am Duft der Rinde, die sich mit dem Harz ihre Wunden selbst heilt, Geruch und Gehör dringen zum Kern des Holzes vor. Er hebt seinen Blick nicht mehr über den Stamm
zu den Ästen hinauf, schielt nicht mehr nach dem Wipfel, ob er sich schon neigt, jetzt ist es egal, wann der Baum fällt und in welche Richtung. Nun braucht er nur noch einmal mit der Wimper zu zucken, die rindige Schale mit einem Blick zu streifen, sich hineinzukneten in den klingenden Stahl, in das Sprühen der Späne, um sich des Baumes ganz zu bemächtigen. Die Säge läuft von selbst, Boštjan berührt sie schon nicht mehr, er ist mit dem Baum allein, gewinnt allmählich die Herrschaft über ihn, befiehlt ihm: Nun ergib dich, und das Fluidum zerrinnt. Nun ergib dich, und siehe da, die Fichte gibt wirklich nach. Die Säge frißt sich durch den gewaltigen Stamm, nur ein bißchen haben sie noch zu sägen, und als der Baum zu klemmen beginnt, schlägt der Vater den Keil ein. Der Baum erzittert und neigt sich ums Kennen, aus der Bewegung und Neigung des Wipfels ist zu sehen, daß er genau in die vorbestimmte Richtung fallen wird. Der Vater schlägt den Keil bis zum Anschlag in den Spalt, langsam neigt der Baum sich, biegt sich, zielt hinaus in die Lichtung und beginnt zu fallen; beide machen ein paar Schritte zur Seite, laufen in den Unterstand und richten ihre ganze Aufmerksamkeit aufs Fallen, doch
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