Bote des Todes
Kieselstein in der Brandung.“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich liebe die USA. Geboren wurde ich in Irland. So was führt zu einem Zwiespalt der Seele, wie du weißt.“
„Ich habe vor kurzem irgendwo gelesen, dass in Amerika mehr Iren wohnen als in Irland selbst.“
„Soll das eine Aufforderung sein, mich hier niederzulassen?“ wollte er wissen.
„Ich wollte dich bloß darauf hinweisen, dass du über eine Einbürgerung nachdenken solltest, wenn du versessen darauf bist, immer wieder nach Amerika zu kommen.“
„Angenommen, ich würde das machen … würdest du dann einen Schlussstrich ziehen und den Typ mit den kleinen Augen aufgeben?“
„Nein. Und nimm dir endlich die Gläser und spül sie. Ich möchte ins Bett.“
„Oh, war das etwa eine Einladung? Im Haus deines Vaters? Moira Kelly, ich muss schon sagen!“
„Das war garantiert keine Einladung. Wieso bist du überhaupt hier? Solltest du den St. Patrick’s Day nicht zu Hause feiern?“
„Ich besuche alte Freunde“, sagte er.
„Hast du in Irland keine alten Freunde, die du wieder mal besuchen musst?“
„Auf der ganzen Insel. Aber ich wollte hier sein.“
„Und warum? Willst du den Amerikanern wieder Predigten halten? Kommt ein neues Buch von dir heraus? Über den Imperialismus der Engländer und darüber, dass die ganze Welt sich einzig und allein nur darum kümmern sollte, Irland wieder zu einen?“
Er sah sie verwundert an. „Das ist eine ziemlich voreingenommene Ansicht über die Lage – und über mich.“
„Ja, da hast du Recht. Aber ist das nicht genau
deine
Sicht der Dinge?“
„Ganz und gar nicht. Ich glaube, du vermischst da persönliche Abneigungen mit logischem Urteil. Ich war nie ein Brandstifter. Ich habe nicht behauptet, die Antwort auf alle Fragen zu haben, und ich behaupte das auch jetzt noch nicht. Du bist Amerikanerin, richtig? Du tust das jederzeit jedem gegenüber kund.“
„Ich
bin
Amerikanerin. Ich wurde hier geboren.“
„Okay, du bist also hier die erste Generation. Die ‚Engländer‘ sind aber schon viel länger in Nordirland. Manche Familien bereits seit Jahrhunderten. Die Probleme sind leicht auszumachen. Jahrhundertelang wurden die Iren in ihrem eigenen Land zu Bürgern zweiter Klasse gemacht. Die Engländer, die Protestanten, hatten die Macht und das Geld. Aber was man heute machen soll … das ist eine sehr schwierige Frage. Aus meiner Sicht muss es zwischen den Menschen dort erst einmal zu einer Aussöhnung kommen, vorher wird es kein geeintes Irland geben.“
Sie stutzte und sah ihn an. „Denkst du vielleicht, dass alle Menschen in Nordirland eines Morgens aufwachen und sagen: ‚Also das Ganze war doch lächerlich, wir sollten uns einfach vertragen‘?“
„In den letzten zehn Jahren ist vieles besser geworden“, sagte er.
„Danny, ich habe dich einmal erlebt, wie du dich nach deinem ersten Buch öffentlich geäußert hast. Du hast von der frühen Geschichte und von all den Kriegen gesprochen, in denen die Iren gekämpft haben.“
„Damals war ich noch jung. Aber du weißt auch, dass ich nie von einer einfachen Lösung gesprochen habe und auch niemanden dazu aufgefordert habe, auf irgendjemanden eine Waffe zu richten. Sicher, ich habe mich mit der irischen Geschichte befasst. Während ich versucht habe, die Gründe herauszufinden, wie es überhaupt jemals zu einer solchen Entwicklung kommen konnte, wurde mir auf einmal bewusst, wie sehr ich es mag, zu schreiben und Reden zu halten. Ich hoffe, dass ich nicht mehr so ein Stümper bin wie als junger Mann, doch halte ich immer noch gern Vorträge. Vor allem vor irischstämmigen Amerikanern. Aber ich rede nie davon, zu den Waffen zu greifen. So gut solltest du mich eigentlich kennen.“
„Danny, weißt du was? Ich kenne dich nicht mehr, und ich weiß auch gar nichts über dich. Vermutlich habe ich dich
nie
wirklich gekannt. Aber ich
bin
Amerikanerin. Und ich bin gegen jede Form von Gewalt.“
„Du hast mir gar nicht zugehört. Was glaubst du, was ich mache? Renne ich mit einem Maschinengewehr durch die Straßen?“
„Ich habe doch gesagt, ich weiß es nicht. Und es interessiert mich auch nicht. Ich bin durch und durch Amerikanerin, und wir haben hier unsere eigenen Probleme. Und ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht. Trockne die Gläser ab, immerhin hast du meinem Vater gesagt, du würdest helfen.“
Sie ging zur Treppe im hinteren Teil des Hauses.
„Moira.“
„Was ist?“ Sie drehte sich nicht um, sondern blieb steif stehen.
Weitere Kostenlose Bücher