Bote ins Jenseits
entscheidende Morgen hatte mit einer Katzenwäsche und einem kargen Frühstück begonnen. Es war nicht so, dass nicht ausreichend Lebensmittel vorhanden gewesen wären, aber die Aufregung machte ihnen einen Strich durch die Rechnung.
Selbst Gregor, für den Situationen wie diese im Prinzip nichts Neues waren, konnte keinen nennenswerten Appetit aufbringen. Er wusste um die Instabilität ihres gemeinsam ausgearbeiteten Planes, in dem noch zu viele Fragezeichen für Unsicherheit sorgten. Eigentlich war auch Improvisation nichts, was ihn schreckte, aber dann war da ja auch noch sein Gefühl – und das drohte in diesem Falle auf unbestimmte Weise mit Ungemach.
Vor der Wohnung ihrer Zielperson angekommen, ließ sich Gregor die Handynummer von Heike Kamp geben. Gregor hatte entschieden, dass sie vorerst nicht mit nach oben gehen, sondern so lange im Wagen warten würde, bis Gregor ihr eine Nachricht zukommen ließ.
Zu den Gründen für diese Vorgehensweise schwieg der Bote sich – sehr zum Missfallen der jungen Frau – beharrlich aus.
»Kann es losgehen? Du weißt, was du zu tun hast?«, fragte er die junge Frau.
»Eigentlich nicht. Ich begreife noch immer nicht, warum ich hier warten soll. Und was ist, wenn er mich anruft? Wir sind so verblieben, dass er mich benachrichtigt, wenn Sie bei ihm aufkreuzen.«
»Ich glaube nicht, dass er das tun wird. Wenn er wirklich der Täter ist, kann er kein Interesse daran haben, dich ins Boot zu holen. Er wird als Erstes herausfinden wollen, warum ich mich für ihn ausgegeben habe, als ich das erste Mal bei dir war. Dich zu verständigen wird für ihn keine Priorität haben.«
Das zumindest hoffte der Vergeltungsbote. Sollte Tibbe wider Erwarten doch zum Hörer greifen, um die Schwester seines verstorbenen Freundes zu alarmieren, wäre es unwahrscheinlich, dass er wirklich etwas mit Kamps Tod zu tun hatte, und sie müssten mit eingekniffenem Schwanz abziehen.
»Also, einfach warten, bis ich mich melde. Wir werden sehen, wie weit wir kommen.« Vor allem wie wir weiterkommen, fügte er in Gedanken hinzu. Er klemmte sich Kamp unter den Arm und hastete der gerade von einem anderen Bewohner des Mietshauses geöffneten Tür entgegen, bevor sie wieder ins Schloss fallen würde.
»Es gibt da ein paar Erkenntnisse, von denen ich euch noch nichts erzählt habe. Hab ich diesem Musiol gestern Abend aus dem Kreuz geleiert. Wunder dich also nicht, wenn du mich gleich Dinge sagen hörst, die dir merkwürdig vorkommen, okay?«
»Wuff!«, ließ sich Kamp vernehmen.
»Was hast du gesagt?«
»Nichts. Ich habe einfach nur gebellt.«
»Du bist sehr sprachbegabt!«
»Danke.«
Sie standen vor Tibbes Wohnungstür, und der Bote drückte den Klingelknopf. Zu ihrer Verwunderung hörten sie Schritte, die sich von der Tür entfernten.
Kurze Zeit später näherten sich die Schrittgeräusche wieder. Diesmal schienen sie von zwei Personen zu stammen. Tibbe war nicht allein.
Die Tür öffnete sich, und Peter Tibbes gleichermaßen blasses wie überraschtes Gesicht kam zum Vorschein. Hinter ihm erkannte der Bote eine gut aussehende Frau, die vor dem Garderobenspiegel gerade den Kragen ihres Mantels richtete und ihre langen Haare aus dem um ihren Hals geschlungenen Schal zog.
»Oh, ich störe wohl gerade?«, fragte Gregor höflich.
»Nein, ist schon gut. Sie war eh gerade auf dem Sprung. Wie sind Sie reingekommen?«
Die Frau warf Tibbe nervös einen fragenden Blick zu. Als der darauf mit einem fast unmerklichen Nicken reagierte, starrte sie Gregor mit einer Mischung aus Angst und Abscheu an. Sie versuchte die Form zu wahren und zwang sich zu einem Lächeln, aber der Bote erkannte sofort, wie schwer es ihr fiel.
»Gerade, als ich klingeln wollte, kam jemand heraus. Hab die Gelegenheit beim Schopfe gepackt«, antwortete Gregor mit einem Lächeln.
Als Tibbe zur Seite trat, um die Frau herauszulassen, war es auch Kamp möglich, einen Blick auf sie zu werfen. Abrupt zuckte er im Arm des Boten zusammen und versteifte sich, sodass Gregor ihn fast fallen ließ. Im letzten Moment gelang es ihm mit seinem anderen Arm, Kamps Fall zu verhindern.
»Marita!«, stieß Kamp hervor. »Das ist Marita! Die Frau, mit der ich fast zusammen gekommen wäre. Was macht sie hier?«
Tibbe und die Frau, die Kamp gerade als seine Fast-Ex-Freundin identifiziert hatte, starrten den kleinen, aus Leibeskräften bellenden Hund an.
»Mag er etwa keine Frauen?«, fragte Tibbe.
»Doch. Und wie! Verstehen Sie sein Bellen nicht
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