Bote ins Jenseits
machen.«
»Richtig! Also, mein Vorschlag wäre, dass wir uns an jemanden wenden, dem die Obduktionsergebnisse bekannt sind, jemanden, den man ganz legal danach fragen kann, ohne aus datenschutzrechtlichen Gründen eine Abfuhr zu kassieren. Jemanden, dem auch daran gelegen sein wird, die ganze Wahrheit über deinen Tod zu erfahren.«
Kamps Augen blitzten. »Du meinst… ja! Meine Schwester!«, rief er aus und drehte auf seinen Hinterbeinen Pirouetten.
Der Kellner beobachtete aus sicherer Entfernung dieses überaus seltsame Gespann und freute sich auf seinen Feierabend, wie schon seit Langem nicht mehr.
Nachdem Gregor die ihm präsentierte Rechnung ohne einen Cent Trinkgeld beglichen hatte, machten sich die beiden auf den Weg zu Kamps Schwester.
Gregor hatte vorgeschlagen zu warten, bis sie von ihrer Arbeit heimkommen würde, aber Kamp überredete ihn, es sofort zu versuchen. Die Wahrscheinlichkeit, sie am Arbeitsplatz zu erwischen, war um ein Vielfaches höher als in ihrer Wohnung. Sie neigte dazu, selten zu Hause zu sein. Immer gab es irgendwelche Freundinnen, Bekannte oder, zu Kamps Leidwesen, Männer, mit denen sie sich noch traf. Sie war nach Feierabend dann maximal für zwanzig Minuten zu Hause, um sich für ihre nächsten Termine frisch zu machen. Da ihre Arbeitszeiten aber sehr flexibel waren, konnte man nie mit Gewissheit sagen, wann diese zwanzig Minuten anfingen.
Davon abgesehen, konnte Kamp es kaum erwarten, seine Schwester zu sehen. Da es ihn ziemlich unerwartet aus der Welt der Lebenden herausgerissen hatte, war er nicht in der Lage gewesen, sich in dem von ihm gewünschten Umfang von ihr zu verabschieden. Dies konnte er jetzt nachholen, auch wenn sie nicht wissen würde, dass der kleine drollige Hund ihr Bruder war.
Kamps Schwester arbeitete als Tagesmutter bei einer Familie, die außerhalb von Köln in einem lauschigen kleinen Ort namens Rheidt wohnte. Ähnlich wie ihr Bruder hatte sie ihren Traumjob gefunden. Sie hatte Erzieherin gelernt mit dem festen Vorsatz, irgendwann bei einer wohlhabenden Familie die Kinder zu hüten.
Einen entscheidenden Beitrag zur Verwirklichung ihres Traumes hatte ihr Bruder geleistet. Es war Kamp, der dem Abteilungsleiter Controlling, einem dreifachen Vater mit einer ebenfalls berufstätigen Frau, von einer jungen, sehr fähigen und überaus netten jungen Dame erzählte, die sich nichts sehnlicher wünschte, als sich ganztägig um die Kinder fremder Leute zu kümmern, um sich damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der Mann war dank Kamps Talent in Sachen Marketing sehr schnell Feuer und Flamme gewesen. Erst nachdem sein Kollege praktisch schon zugesagt hatte, verriet ihm Kamp, dass es sich bei der jungen Frau um seine eigene Schwester handelte. Da der Mann sich aber nicht vorstellen konnte, dass die Schwester des neuen Stars in der Marketingabteilung ein Fehleinkauf sein könnte, ließ er sich davon nicht beirren. Er ging sogar, ohne zu murren, auf die von Kamp eigenmächtig nach oben korrigierten Gehaltsvorstellungen der Schwester ein.
All das erzählte Kamp seiner Schwester nie. Er ließ sich von seinem Kollegen versichern, dass dieser in der Angelegenheit Stillschweigen bewahren würde. Sie vereinbarten die offizielle Version, dass Kamp rein zufällig von der Suche des Abteilungsleiters nach einer Tagesmutter erfahren, aber nie konkret mit ihm darüber gesprochen hatte. So teilte er ihr lediglich Adresse und Telefonnummer des Mannes mit, auf dass sie ihr Glück selbst versuchen sollte.
Hätte sie gewusst, dass ihr Bruder sie bereits erfolgreich vermittelt hatte, wäre sie womöglich wieder abgesprungen. Schon lange machte sie ihm Vorwürfe, dass er immer noch zu viel Zeit darauf verwendete, für sie da zu sein, und ihr damit ein schlechtes Gewissen machte. Immerhin stellte er eigene Interessen ohne zu überlegen hinten an, wenn er ihr bei was auch immer behilflich sein konnte. Da sie aber längst eine erwachsene Frau war und dieses Ausmaß an Selbstlosigkeit einfach nicht nachvollziehen konnte – sie wäre dazu für nichts und niemanden bereit gewesen, da war sie sich sicher –, ärgerte sie die Sturheit ihres Bruders in zunehmendem Maße.
Nach einer Dreiviertelstunde Fahrt waren Kamp und Gregor am Ziel. Der Bote lenkte den BMW auf eine große Auffahrt, die zu einem prächtig aussehenden Fachwerkhaus führte, vor dem ein alter weißer und ziemlich marode aussehender Seat Ibiza stand.
Das Haus war beeindruckend. Eingebettet in eine ansprechend
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