Bote ins Jenseits
da welche arbeiten, die mit ihm zu tun haben. Marita hat es zumindest nie erwähnt, und mit ihm habe ich noch keine Gespräche geführt… zumindest keine vernünftigen. Er selbst arbeitet jedenfalls in irgendeiner Bank. Warum fragst du?«
Gregor verzog das Gesicht und kratzte sich am Nacken.
»Weil ich mir nur schwer vorstellen kann, dass es jemand von außerhalb deiner Firma war. Vergiss nicht, um deinen Tee zu manipulieren, musste der Täter ja irgendwie da reinkommen – oder wenigstens jemanden kennen, der da reinkommt.«
Kamp stellte sich auf alle vier Pfoten und klemmte den Schwanz ein, wie er innerlich kopfschüttelnd am Rande seines Bewusstseins wahrnahm.
»Ach nein? Bei jemandem wie diesem Bindernagel, der mich nun wirklich nicht leiden konnte, kannst du es dir nicht vorstellen, wohl aber bei meiner Schwester!«
Gregor zog die Augenbrauen hoch. »Oh! – Okay, Punkt für dich, so habe ich das noch gar nicht betrachtet.«
Kamp brachte es fertig, sein Hundegesicht selbstgefällig grinsen zu lassen.
»Und was bedeutet das jetzt? Klammern wir beide aus, oder kommen beide auf die Liste?«, wollte er wissen.
Ruckartig stand der Bote von dem Bett auf und schnappte sich die Hundeleine.
»Kommen beide auf die Liste!«, sagte er entschieden und öffnete die Tür zum Treppenhaus. »Und wir werden ihm auch direkt einen Besuch abstatten. Du weißt, wo er wohnt beziehungsweise wo er arbeitet?«, fragte er und machte Anstalten, den Raum zu verlassen.
»Äh… weder noch – leider.«
Gregor hielt in seiner Bewegung inne, kehrte in den Raum zurück und kniete sich zu Kamp.
»Echt nicht? Nicht mal, wo er wohnt?«
Kamp schüttelte den Kopf. »Das am allerwenigsten. Kann sein, dass Marita es mal erwähnte, aber der Kerl hat mich nicht interessiert. Wenn, dann hab ich es vergessen. Ich bilde mir ein, dass sie mal gesagt hat, er arbeitet bei der Sparkasse, aber das ist ohne Gewähr. Zumal es davon auch noch etliche Filialen in Köln gibt.«
»Was hältst du davon, wenn wir deine Marita fragen? Die müsste das doch aus dem Stand wissen.«
Kamp dachte nach. »Es wäre gelogen, wenn ich jetzt sagen würde, dass ich sie nicht gerne Wiedersehen möchte. Aber wie verkaufst du ihr, wer du bist und warum du das von ihr wissen willst? Das sollte dann schon Hand und Fuß haben. Sie ist einigermaßen misstrauisch, weißt du.«
Gregor presste die Lippen zusammen. »Dann nützt es nichts. Wir klappern die Sparkassen ab und versuchen, uns nach ihm durchzufragen.«
Das Schicksal meinte es gut mit dem Boten und seinem Klienten. Wegen der unmittelbaren Nähe der Niederlassung zur Sparkassenfiliale Mülheim, begannen sie dort mit ihrer Suche nach Stefan Bindernagel und hatten das Glück, im Servicebereich an eine übereifrige Auszubildende zu geraten.
Auf Gregors Wunsch, mit Herrn Stefan Bindernagel zu sprechen, nahm sie sich zwei Sekunden Zeit, ein dummes Gesicht zu machen, und anschließend Drehzahl auf. Nach einem kurzen »Einen Moment bitte« und drei leidenschaftlich geführten Telefonaten, teilte sie dem Boten mit, dass Herr Bindernagel schon vor geraumer Zeit in den Wertpapierbereich der Hauptfiliale am Neumarkt gewechselt war. Anscheinend hatte er tatsächlich mal in der Filiale, in der sie gerade standen, seinen Dienst verrichtet. Gregor bedankte sich artig, heuchelte ein Kompliment über die geballte Kompetenz der jungen Frau und machte sich auf den Weg.
Gefühlte fünf Stunden später hatten sie endlich die Kölner Innenstadt erreicht. Gregor studierte die Auswahl der Parkhäuser und entschied sich, einer Laune folgend, für das Parkhaus an der Oper.
Anfangs hatte Gregor behauptet, gern Auto zu fahren, aber was ihm die Kölner Innenstadt zumutete, ging wohl selbst über seine Toleranzgrenze hinaus. Seine obligatorische Gelassenheit wich von Minute zu Minute einer anfangs latenten Aggressivität, die sich schließlich zur blanken Raserei – in Gestalt derbster Schimpfworte, die selbst Kamp noch nie gehört hatte, vulgären Gesten in Richtung der Autofahrer, die seine von Gott und der Straßenverkehrsordnung gegebenen Rechte plump missachteten, und einem Stakkato-Trommelfeuer auf die Hupe – zu steigern wusste. Zwischendurch schüttelte er immer wieder entsetzt den Kopf und zischte etwas von italienischen Verhältnissen.
Kamps Erleichterung, als sie endlich in die Schwertnergasse einbogen, war um nichts geringer als die des Boten, der wohl nur unter Aufbietung der letzten Reste seiner Selbstbeherrschung
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