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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Lindemann
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davon absah, ein Stück aus dem Lenkrad herauszubeißen.
    Die Laune des Boten war also entsprechend glänzend. Der kurze Fußmarsch vom Parkhaus zum Sparkassengebäude wurde für Kamp und seine kurzen Beine zu einer Art Sprint. Gregor war noch dermaßen mit Wut geladen, dass er wie ein Eisbrecher mit eingebautem Nachbrenner durch die Schar der Passanten pflügte und allein mit seinem zur Faust geballten Gesicht jeder auf Konfrontationskurs befindlichen Person klarmachte, dass nur ein sofortiges Ausweichmanöver zur Rettung des Tages beitragen konnte.
    Kamp hatte Mühe, den Anschluss zu halten. Hätte er ihn abreißen lassen, wäre er in dem Wald aus Beinen verloren gewesen. Er wusste um seine Gestalt. Vor allem wusste er, wo er sich gerade befand. Als Tretminenleger auf Zeit, noch dazu ohne Herrchens schützende Aufmerksamkeit, hatte er es hier mit einer Heerschar von Feinden zu tun.
    Ziemlich außer Atem, aber wie durch ein Wunder unversehrt, erreichte er im Fahrwasser des Boten die Sparkasse. Die Art, wie Gregor sich bewegte, ließ Kamp schließen, dass der sich noch immer nicht beruhigt hatte, und es machte sich, ohne dass er es ändern konnte, eine gewisse Schadenfreude in ihm breit. Diesem Bindernagel stand ein unangenehmes Erlebnis bevor.
    Gregor pickte sich zielsicher einen vorbeilaufenden Bankangestellten aus dem belebten Foyer und stellte ihn zur Rede.
    »Ich möchte mit Herrn Bindernagel sprechen!«, pflaumte er den jungen Mann an, dessen leicht arrogantes Mienenspiel, angesichts der unfreundlichen Zielstrebigkeit des Boten, sofort einer besser zu ihm passenden Unsicherheit wich.
    »Der… Herr Bindernagel hat, glaube ich, gerade ein Kundengespräch. Wenn Sie so lange…«
    »Wo finde ich ihn?«, knurrte der Bote ungeduldig.
    Das Gesicht des jungen Mannes lief feuerrot an. Kamp konnte die Änderung seiner Gemütslage riechen.
    »Oben!… äh, Wertpapiere. Aber er hat gerade wirklich…«
    Gregor hörte schon nicht mehr zu. Oben und Wertpapiere war alles, was er wissen musste, und er ließ den jungen Mann einfach stehen. Kamp versuchte zu grinsen.
    »Wenn du ihn siehst, sag mir Bescheid!«, befahl ihm der Bote.
    Kamp befand, dass es zurzeit nichts gab, was er lieber tun würde.
    Im ersten Stock angekommen, steuerte Gregor direkt auf sein nächstes Opfer zu, um die Schnitzeljagd auf Bindernagel zu einem Ende zu bringen – in diesem Fall eine Dame mittleren Alters, die Gregors Erscheinen sofort bemerkt hatte und, darob offensichtlich entsetzt, große Augen machte. Ihr wich sogar jegliche Farbe aus dem Gesicht, als sie – vollkommen zu Recht – den Eindruck gewann, dieser grobschlächtige, ungepflegte Klotz würde auf sie zusteuern.
    Kamp rettete sie.
    »Gregor, da vorne ist er!«, bellte er energisch.
    Gregor hielt abrupt inne, taxierte seinen Klienten und folgte dessen Blick.
    Vor einer geöffneten Tür stand ein Mann in Kamps Alter, bekleidet mit einem teuer aussehenden und hervorragend sitzenden Anzug. Vor ihm stand ein älterer Herr in abgenutzt wirkenden Klamotten. Seine nackten Füße steckten in Sandalen, und seine Haare sahen aus, als hätte er über Nacht einen Igel darin schlafen lassen. Trotzdem gab sich der Bankangestellte keine Blöße und war geradezu ekelerregend freundlich.
    »Das ist er?«, fragte der Bote knapp.
    »Ja, der in dem Anzug.«
    Gregor warf seinem Klienten einen kurzen, verständnislosen Blick zu und setzte sich, die Augen verdrehend, in Bewegung.
    Sie wurden gerade noch Zeugen der überschwänglich freundlichen Verabschiedung Bindernagels von dem älteren Herren, der sich auch Anfang März nicht zu schade war, seinen Sandalen die große weite Welt zu zeigen.
    »… also noch mal, einen angenehmen Tag, Herr Doktor Birthler. Ich melde mich, sobald sich etwas tut, egal in welche Richtung. Und einen schönen Gruß an die werte Frau Gemahlin!«, flötete Bindernagel.
    Der Mann schlurfte davon und würdigte Gregor beim Vorbeigehen keines Blickes. Bindernagel tat es ihm gleich und machte Anstalten, sich ebenfalls zu entfernen, aber Gregor stellte sich ihm in den Weg. Der Bote wurde von oben bis unten gemustert, und Bindernagel war dumm genug, sich einzubilden, einen herablassenden Blick aufsetzen zu können. Beim Anblick von Kamp, der treu an Gregors Seite stand, ließ er sogar noch eine Prise Abscheu folgen.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Bindernagel kühl.
    Von der enormen Freundlichkeit war nichts mehr zu sehen.
    Kamp sah nach oben und entdeckte die Andeutung eines Grinsens in

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