Bote ins Jenseits
ihren überraschten Blick.
»Hat er dir wohl noch gar nicht erzählt? Ich wollte ihm nicht vorgreifen.«
Heike kniff die Augen zusammen und sah Tibbe verwirrt an. Dieser Tag offenbarte ein enormes Potenzial an Überraschungen, und sie konnte Überraschungen nicht ausstehen. Sie mochte gar nicht daran denken, dass es erst früher Nachmittag war, der Tag war noch lang – was konnte da noch alles passieren!
»Wer hat mir was noch nicht erzählt? Wovon redest du da? Oder ist das ein Scherz von dir?«
»Na, der Detektiv. Schröder oder wie er heißt. Er war gestern Nachmittag und heute Vormittag hier bei mir.«
Heike starrte ihn mit weit offen stehendem Mund an und brachte kein Wort heraus.
»Der Verdacht, den du hast? Dass Thore möglicherweise ermordet wurde? Die Drogen und all das?«, fragte Tibbe mit dünner Stimme.
Heike spielte sehr überzeugend eine Bibelstelle nach, indem sie zur Salzsäule erstarrte. Sie brachte sich sogar in den Kreis der Oscar-Anwärter, indem sie wie auf Kommando jegliche Farbe aus ihrem Gesicht entweichen ließ.
Tibbe machte ein Gesicht, als wäre gerade der letzte Groschen durchgefallen.
»Okay, lass mich raten. Du hast nie einen Privatdetektiv engagiert?«, sagte er ganz ruhig.
Heike starrte ihn weiter an und überlegte hektisch, was es mit dieser neuen Wendung auf sich haben konnte. Irgendetwas oder irgendjemand hatte sich gegen sie verschworen, und wenn es nur dieser verdammte Tag war, der doch eigentlich so angenehm hätte werden sollen. Damit schien es jetzt aber endgültig vorbei, dies war genau eine Ungereimtheit zu viel.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke.
»Moment mal! Wie sah dieser Kerl aus? So ein Großer, Ungepflegter, mit Klamotten, die kurz nach dem Krieg modern waren, und einem schmierigen Dreitagebart? Ziemlich kräftig und irgendwie grobschlächtig?«
»Ja, ganz genau! Mit so einem kleinen Hund im Schlepptau. Kennst du ihn doch?«
Heike lachte ohne eine Spur Humor und sah Tibbe herausfordernd an. Erst schien er ihren Blick nicht deuten zu können, aber dann blitzte Erkenntnis in seinen Augen auf.
»Sag bloß… etwa der Kerl, der sich für mich ausgegeben hat?«
»Genau der! Ich glaube, ich sollte doch die Polizei einschalten.«
»Nein, warte!«, rief Tibbe. »Entschuldige bitte, das war ‘ne Spur zu laut, oder? Weißt du, ich habe ihn vorhin gebeten, mich weiterhin auf dem Laufenden zu halten. Er hat mir versprochen, es zu tun, und mein Gefühl sagt mir, dass der hier wieder auftauchen wird. Und wenn das passiert, werde ich ihm mal auf den Zahn fühlen. Vielleicht gibt es ja doch für alles eine plausible Erklärung. Immerhin wusste er einige Dinge, die ein Außenstehender nicht so ohne Weiteres in Erfahrung bringen kann.«
»Zum Beispiel?«
»Na, das mit den Drogen in Thores Körper zum Beispiel. Er wusste, dass ich sein bester Freund war und wo du arbeitest.«
Heike setzte sich auf die Lehne des Sessels und dachte laut nach.
»Alles Dinge, die man mit ein bisschen Geschick herausbekommt,… bis auf die Sache mit den Drogen. Und die…«, setzte sie an und merkte, wie sie rot anlief, »… hat er von mir. Hab mich hinreißen lassen. Immerhin dachte ich, er wäre du.«
Tibbe kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. »Vielleicht ist er selbst Ermittler der Polizei. Oder seine Privatdetektiv-Nummer ist gar nicht gespielt, und er hat nur bezüglich seines Auftraggebers gelogen?«, spekulierte er.
Heike ging ein Gedanke durch den Kopf, der sie in helle Aufregung versetzte. Ihr wurde vor Entsetzen regelrecht schlecht, wenn sie darüber nachdachte, dass er stimmen könnte. Sie schüttelte den Kopf.
»Das glaube ich eigentlich nicht. Die Polizei hätte keinen Grund, ihre Identität zu verschleiern, und das mit dem Detektiv halte ich jetzt für einen schlechten Witz. Aber was, wenn Thore wirklich nicht zufällig gestorben ist? Wer könnte dann noch etwas über die Drogen wissen? Doch eigentlich nur das Schwein, das dafür verantwortlich ist.«
Tibbe atmete schwer. »Du hältst es für möglich, dass er wirklich umgebracht wurde?«, sagte er ungläubig.
»Bisher eigentlich nicht. Wenn ich ihm aber irgendetwas im Leben nicht zugetraut habe, dann Drogen. Ich war so schockiert, als man mir davon erzählte! Ein uneheliches Kind mit einer Fünfzigjährigen hätte ich gekauft. Ein Faible für rote Damenunterwäsche, um sie selbst zu tragen wohlgemerkt, auch. Aber Drogen hasste er mit einer Leidenschaft, die einer festen Überzeugung entsprang. Ich hab ja aus
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