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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Víctor Conde
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hatte.
    Plötzlich landete etwas Haariges mit spitzen Zähnen auf ihrem Bettende. Tanya fuhr erschrocken zusammen.
    »Bastet!«, rief sie ärgerlich. »Runter von meinem Bett! Kusch! Das ganze Laken ist voller Haare.«
    Die Katze gehorchte, schlich um das Bett herum und sprang auf ihren Schoß. Tanya nahm sie auf den Arm, wiegte sie wie ein Baby und kraulte sie am Bauch. Sie wusste, dass die Katze das besonders gern mochte.
    »Du kleine Gaunerin. Du weißt, wie du mich rumkriegen kannst!«, flüsterte sie. Mit dem gleichmäßigen Schnurren der Katze kehrte auch die Müdigkeit wieder. Katzen waren nicht nur besonders gut im Gesellschaftleisten, sie waren auch eine hervorragende Einschlafmedizin, wenn sie abends zu aufgewühlt war und nicht zur Ruhe kommen konnte.
    Sie brauchte sich nur hinzulegen und ihre Katze zu streicheln, und die Wirkung kam der einer Schlaftablette gleich.
    Damit es für Bastet bequem war, musste sie stillhalten. Jede unerwartete Bewegung war für die Katze eine Aufforderung zu gehen, und Tanya wollte sie lieber noch eine Weile auf ihrem Schoß behalten und die Wärme und das weiche Fell spüren. Vorsichtig entwirrte sie ein paar kleine Knötchen im Nackenfell, dort, wo sich die Katze nicht selbst putzen konnte.
    Tanya suchte nach einer Beschäftigung, für die sie nicht aufstehen musste. Schreibtisch und Laptop waren zu weit weg. Aber auf dem Nachttisch lag noch immer der Umschlag ohne Adresse. Tanya machte den Arm so lang, wie sie nur konnte, und erwischte mit zwei Fingern die Ecke des Umschlags.
    Der Brief war für sie sehr wichtig.
    Sie schnupperte an dem Umschlag. Luis wusste, wie empfänglich sie für Gerüche war, und alle Briefe, die er ihr schickte, rochen dezent nach Seerose, ihrem Lieblingsduft. Einmal hatte er sogar versucht, mit parfümierter Tinte zu schreiben, aber der Moschus verwässerte die Konsistenz, und als Tanya den Brief aus dem Umschlag nahm, fand sie eine einzige Buchstabensuppe vor, in der nicht einmal mehr der Briefkopf zu erkennen war.
    Sie mochte Luis. Er war nicht ihr erster Freund und sicherlich auch nicht ihr letzter, das wusste sie irgendwie. Aber die Art, wie er ihre Hand nahm, wenn sie zusammen ausgingen, hatte es ihr angetan. Es war eine Mischung aus Grobheit und Rücksicht, die sie ziemlich männlich und sexy fand. Tanya konnte mit femininen Männern, diesen sogenannten Metrosexuellen, nicht viel anfangen. Sie war froh, dass er sich nicht die Augenbrauen zupfte, und sie liebte seine Körperbehaarung. In ihren Augen mussten die Männer ein bisschen »hässlich« sein, dafür aber verständnisvoll und liebenswert. Sie konnte es nur nicht leiden, wenn er stank.
    Luis eignete sich nicht für die Uni. Er hatte das Gymnasium nach zwei Ehrenrunden verlassen und arbeitete jetzt als Automechaniker in der Werkstatt seines Vaters. Manchmal bestand Tanya sogar darauf, dass er sich zweimal duschte, bevor sie sich trafen.
    Sie himmelte ihn an. Er war … ein Bär. Ein bisschen schmutzig manchmal, aber dafür hatte er weiche Ohren.
    Sie nahm den Brief aus dem Umschlag und faltete ihn vorsichtig auf. Bastet fing wieder an zu schnurren.
    Es war ein Liebesbrief. Luis hatte ihr vor ein paar Wochen seine Liebe gestanden, und die Wolke, auf der frisch Verliebte gleichsam durch die Stadt schweben, anstatt auf dem Asphalt zu gehen, hatte sich noch nicht wieder gelegt. Dieses einfache Blatt Papier barg ein paar Verse, die für jemanden wie Luis vielleicht eine Spur zu affektiert waren. Aber sie waren nicht so perfekt wie die eines großen Dichters, für Tanya der Beweis, dass er sie nicht irgendwo im Internet gefunden hatte, sondern dass sie von ihm stammten.
    Sie suchte ihre Lieblingsstrophen:
    Ich habe keinen Vater, zähle nur die Tage
    erfinde meine Namen, die Umarmungen des Glücks
    wenn du lächelst, singe ich
    wenn du den Felsen eroberst,
    wenn die Löwen aus dem Zwinger ausbrechen,
    umsegle ich die Fjorde andrer Sonnen
    und halte das Bett warm.
    Wenn aber die Schutzengel die restlichen Dämonen
    beständig angreifen,
    nehmt ihre Namen von dem Stein
    und vererbt ihnen Welten.
    Es ist Zeit, sich zu verabschieden.
    Von den Vögeln und den Kirschen,
    von den Schätzen, die unter dem Sand verborgen sind,
    von der Milch, die aus ihren Brüsten quillt,
    und den Rücklauf der Wellen speist
    und die Zyklen der Nacht.
    Zeit, den neuen Tag zu begrüßen,
    die Muse einer oft traurigen Vergangenheit,
    den warmen Seufzer der Sehnsucht
    nach einer hoffnungsfrohen Zukunft.
    Zeit, zu

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