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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Víctor Conde
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Heilerin …«, wiederholte sie begeistert. Ja, in gewisser Weise wusste sie, dass es so sein musste. So war es immer gewesen. Schon als kleines Mädchen hatte sie den Wunsch gehabt, sich um die Kranken und Sterbenden zu kümmern (und wenn auch der Arztberuf nichts für sie war, so wusste sie, dass es Alternativen gab). Darum hatte sie sich auch als Gothic-Püppchen verkleidet, als eines, das Hoffnung im Herzen trägt: Es war ihre Art, die Trauer über eine Welt auszudrücken, die sich jeden Tag weiter von den Idealen des Guten und Schönen entfernte. Eine Welt, die jeden Tag mehr wie ein Desmodu aussah, und weniger wie eine Heilerin.
    Sie wandte sich an Ninive. »In Ordnung, die bin ich. Und die anderen?«
    Erik fiel lange durch den mit Flammen gesäumten Tunnel, immer weiter hinab in die Dunkelheit, die alles Licht erstickte, sogar das der ewigen Flammen.
    Gestaltlose Schatten streckten ihm von den Wänden die Arme entgegen und boten ihm ihre Hilfe an. Sie versprachen ihm, dass er aufhören würde zu fallen, wenn er sich nur an ihnen festhielte. Aber Erik durchschaute die Falle: Es waren die Schatten der Verdammten, die in Mörtel verwandelt waren, um den Tunnel zu stützen. Die nichts als Hass übrig hatten für die neuen Seelen, die immer nach unten fielen, nach unten, nach unten! Tief, tief, in den … Abgrund.
    Er spürte Panik in sich aufsteigen, als er begriff, wo er gelandet war und wohin er durch den ewigen Fall gelangen würde. Doch eine Hand hielt ihn auf. Es war nicht die eines grausamen Schattens in der Tunnelwand. Es war Ninive.
    Er erkannte sie trotz ihrer verjüngten, vitaleren Erscheinung. Sie packte ihn und zog ihn auf einen kleinen Vorsprung, von dem aus man bis zum Ende des Tunnels und noch darüber hinaus blicken konnte.
    »N…Ninive?« Erik klammerte sich an ihr fest. Er hatte Angst, er könnte über den Rand in den Abgrund hinunterstürzen.
    Aber die junge Frau hielt ihn gut fest. »Keine Angst, du bist in Sicherheit. Von hier kannst du sie gut sehen.«
    »Wen sie ?«, fragte er bestürzt.
    »Wir nennen sie die Mündung der Seelen, das Vorzimmer der Hölle.«
    Erik konnte in der Tiefe das Ende des Schachts ausmachen, und er sah auch, dass er in einen riesigen Raum mündete, der mit der Finsternis, die dahinter lag, verschmolz. Die Seelen, kleine Lichtkristallsplitter, die durch die Reibung mit dem Wind der Agonie schwarz geworden waren, stürzten hinunter in diesen düsteren und endgültigen Abgrund des Nichts. Es gab keine Schreie.
    »Guter Gott!«, murmelte Erik. »Dann gibt es sie also wirklich …«
    »Leider ja. Sie ist das unvollkommene Abbild des Himmels, sein negatives Gegenstück. Beide sind notwendig, um das Gleichgewicht zu halten, wie die zwei Seiten einer Medaille. Die eine kann ohne die andere nicht existieren.«
    »Wir haben uns geirrt.« Erik schüttelte aufrichtig bestürzt den Kopf. »Die Theologie des zwanzigsten Jahrhunderts: komplett daneben. Wenn die Hölle keine Metapher ist, dann ist Gott nicht das barmherzige Wesen, an das wir geglaubt haben. Wenn er es nämlich wäre, würde er einen Ort wie diesen doch gar nicht dulden.«
    »Ihr habt überhaupt keine Ahnung, wie Er in Wirklichkeit ist«, spottete Ninive. »Euer beschränktes Hirn ist nicht einmal annähernd in der Lage, zu einer exakten philosophischen Definition von Gott zu gelangen, also versuch es erst gar nicht. Es hat keinen Sinn, eine moralische Rechtfertigung für etwas finden zu wollen, das über die menschliche Moralität hinausgeht. Ich spreche mit dir über das Gute, das Böse, die Gerechtigkeit, wenn du willst. Wenn du aber glaubst, dass diese Begriffe für Ihn Grenzen darstellen, intellektuelle Ketten, an die Er in irgendeiner Weise gebunden ist, begehst du den schlimmsten aller Fehler.«
    Erik schluckte. Während sie sprachen, regnete es Hunderte, nein, Tausende geschwärzter Kristalle, von beißenden Winden getrieben, in den Abgrund … Wohin?
    Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit (oder war es seine Seele, die plötzlich besser sehen konnte?) und erkannten jetzt eine dunkle Form, die in jenem Nichts schwebte. Etwas, das dunkler war als die absolute Finsternis. Und riesig. Seine Größe konnte sich mit der der Milchstraße messen. Ganz offensichtlich war es dieses Etwas, das den Sturm von gepeinigten Seelen anzog.
    Eriks Verstand versuchte zu entschlüsseln, was er da sah, was dort in der Finsternis schwebte. Und als es ihm schließlich dämmerte, als er alle Puzzleteile zusammengesetzt

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