Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)
Verwirrung.«
»Nein, das … war mir nicht bekannt.«
»Wie auch immer, im Grunde bist du das: ein kriegerischer Geist.«
Erik sah auf seine Hände hinunter. Ja, er spürte die Kraft. Sie war da, in unmittelbarer Nähe, das Schwert der Gerechtigkeit, das er mit diesen Fingern umschließen würde, um Satans Erbe zu vernichten, koste es, was es wolle, und wenn er sein eigenes Leben dafür opfern musste. Für ihn zählte nur eins: das Böse auszulöschen. Ein für alle Mal. Um jeden Preis.
»Er war ein Vernichter der Massen. Ein Diener Michaels.«
Erik schloss die Hand zur Faust, die einen Moment lang von Flammen überzogen war. »Am liebsten möchte ich gleich jetzt anfangen«, sagte er mit einem Lächeln. »Aber … was ist mit den anderen? Wenn ich ein Engel der Gerechtigkeit bin, welche Aufgabe hat dieser Unglücksrabe Mauro mit seinen ewigen Depressionen?«
Leben. Tod. Erfüllung. Enttäuschung. Chaos.
Was. Passiert. Hier.
Warum. Bin. Ich. Schon. Wieder. Allein.
Er spürte ein paar warme Arme, die ihn unter den Achseln stützten, ihn auf den Beinen hielten. Er wusste nicht, ob er diesen Armen dankbar sein oder über sein großes Unglück weinen sollte. Er wollte einfach nur fallen, fallen, fallen, immer weiter fallen und niemals zerschellen.
»Was du fühlst, ist die Betrübnis deiner Mitmenschen, die du allein auf deinen Schultern trägst«, sagte Ninive mit sanfter Stimme. »Armes Kind. Dein Schicksal ist das undankbarste. Es ist nicht deine Schuld, dass du bist, was du bist, aber du musst es überwinden. So schrecklich die Erfahrung auch sein mag.«
Ich. Höre. Das. Leiden. Der. Menschen.
Ich. Höre. Die. Leere. Der. Seelen.
Ich. Habe. Keine. Kraft. Mehr.
»Ich weiß, es ist sehr schwer, ein Cherub zu sein. Aber das ist es, was du in dir trägst, Mauro. Die Cherubim sind die himmlischen Empfänger der Gebete, die Repetitoren, die den Kummer der Lebenden aufnehmen und ihn an Gott weiterleiten«, erklärte Ninive. »Du hast in diesem Leben viel gelitten, Mauro. Du hast deinen eigenen Schmerz. Aber du spürst auch das Leid derer, die dich umgeben. Ohne dich, ohne deine Hilfe, das Leid zu kanalisieren, würden sich all diese Gebete im Limbus verlieren, der die Realitäten trennt. Die Menschen wären so allein wie nie zuvor. Denn du hast die Augen, die sehen, und die Ohren, die hören.
Mein. Vater. Schlug. Mich.
Meine. Mutter. Nahm. Ihn. In. Schutz.
Mich. Wollte. Niemand.
Nie.
»Das ist dein Schmerz, Mauro, und er ist größer als der vieler deiner Mitmenschen. Doch eben darin besteht deine Tugend, dein Mut. Für jeden anderen wäre dieses Leid tödlich gewesen, es hätte ihn schlichtweg zerstört. Du aber kannst es überwinden, du kannst es verstehen und verzeihen. Du bist die Grundlage, auf die sich deine Gefährten stützen.« Eine gütige Hand streichelte ihm die Wange und Lippen, warm wie Honig, küssten ihn.
Zum ersten Mal in seinem Leben war er im Einklang mit sich selbst. Er fühlte sich geliebt. Von einem anderen getragen. In seiner Existenz gerechtfertigt.
Ich …
Glaube …
An dich …
Ninive nickte zufrieden.
»Das ist ein großer Schritt.«
Die drei erwachten gleichzeitig. Sie blickten sich erschrocken um. Sie waren immer noch auf Santorin, auf dem Berg vor der Kirche mit den neun Glocken, aber die Sonne stand längst nicht mehr im Zenit. Es mussten Stunden vergangen sein, obwohl es sich für sie nur wie ein paar Minuten anfühlte.
Séfora sah ihre Schützlinge sichtlich gerührt an. »Ihr seid genau das, was ich erwartet hatte, und noch viel mehr«, sagte sie. »Ich freue mich sehr. Und Ninive auch. Sie möchte euch wissen lassen, dass es sehr edel von euch war, euer Schicksal mit offenem Herzen anzunehmen.«
»Wenn ich es richtig verstanden habe«, resümierte Tanya, die noch nicht wieder ganz in der Realität angekommen war, »ist es nicht so, dass wir etwas angenommen haben. Es war alles schon immer da. Nur, dass wir bislang nichts davon wussten.«
»Ja, das ist die exakte Definition. Sehr gut!« Sie klatschte einmal energisch in die Hände. Spätestens jetzt waren alle hellwach. »Morgen setzen wir unser Training fort. Ich werde euch ein paar spirituelle Techniken beibringen, mit denen ihr das in euch schlummernde Potenzial entwickeln könnt, jeder nach seiner Art und Bestimmung. Von da an übt jeder für sich allein. Aber sobald ihr einmal auf dem richtigen Weg seid, wird es euch nicht mehr schwerfallen.«
»Findet ihr nicht, dass es sich wie ein Witz anhört?«,
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