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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Víctor Conde
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aus einer Höhe von einigen Kilometern. Die Türkei hatte sich seit der Zeit des Byzantinischen Reichs sehr verändert, was nicht verwunderlich war. Die Hethiter gab es nicht mehr, und die grausamen Kaškäer auch nicht, und doch waren sie in den zyklopischen Mauern ihrer Paläste noch deutlich zu spüren, und man hörte noch immer das Dröhnen der Erde unter den Rädern ihrer mächtigen Streitwagen.
    Mehr oder weniger im Zentrum der anatolischen Halbinsel beschloss Séfora zu landen. Sie fand sich in einer verlassenen Gegend wieder, mit sanften Hügeln und vereinzelten Baumgruppen. Ein feiner Nebel legte sich über den neu aufkeimenden Weizen, während die Kuckucke in den Sträuchern krakeelten.
    Sie blickte sich um. Ja, natürlich erinnerte sie sich an diesen Ort. Über tausend Jahre waren vergangen, seit sich die Mauern von Caesarea Mazaka hier erhoben. Während der Ausbreitung des Christentums war es die Wiege der Heiligen und Märtyrer gewesen, die sich für ihre Ideale geopfert hatten und die auch nach mehreren Jahrhunderten noch ab und an hierherkamen, um zu sehen, wie es so lief.
    Séfora kannte zwar einige, aber sie unterhielt sich nicht gerne mit ihnen. Die Gespräche drehten sich immer im Kreis und waren meistens deprimierend. Sie beschwerten sich in einer Tour darüber, dass das Leid, das sie während des Martyriums erfuhren, nicht die gewünschten Früchte gebracht hatte und so weiter und so fort. Séfora konnte diese Heiligen nicht mehr ertragen, und manche Cherubin auch nicht. Sie waren einfach nur ermüdend.
    Aber eine gute Seite hatte das Martyrium auch: Es tränkte die Erde mit seelischen Eindrücken. Eindrücke, die eine lange Lebensdauer hatten und Gebiete weihten. Auf diese Weise wurden Schutzzonen geschaffen, von denen die Engel, die wie immer die Drecksarbeit machten, profitieren konnten.
    Séfora begann den Begriff der Gegenseitigkeit zu überdenken. Wenn sie jetzt die Verantwortung übernahm, der sie lange aus dem Weg gegangen war, nämlich die Auserwählten auszubilden und für ihre Sicherheit zu sorgen, und das alles ganz allein, dann sollten andere auch etwas dazu beitragen. Allen voran ihr Meister. Jemand hatte hier eine Bringschuld, so viel stand fest, aber sie war sich nicht sicher, ob dieser »Jemand« sie auch wirklich bis zur letzten Konsequenz unterstützte.
    Sie setzte sich auf einen Stein. Die Luft hatte eine seidige Qualität, wie ein Fächer aus Tussahseide, der ihr über das Gesicht streichelte und ihr zarte Küsse auf die Wange hauchte.
    Sie konzentrierte sich. Ihr Atem kondensierte in einen leichten Nebel und löschte die Gegenwart aus, und auf einmal hatte sie das Gefühl, dass sich die leere Weite hinter ihr mit Geistern füllte.
    Meister , rief sie. Der wahre Name des Engels hallte in ihrer Brust wider, aber sie wagte es nicht, ihn laut auszusprechen. Nicht, solange ein Desmodu in ihrer Nähe war.
    Die Zeit verstrich, ohne dass sie eine Antwort bekam. Stattdessen vernahm sie ein sonderbares Echo, ferne Schreie und Zeichen extremen Leidens, die den Stoff der Raumzeit erschütterten. Es war, als krampfe sich die Wirklichkeit zusammen, als erbebe sie unter der Wucht unfassbarer Katastrophen, die sich in ebendiesem Augenblick, während sie lauschte, ereigneten.
    Schreie von Engeln, und Dämonen. Opfer und Henker. Himmelsbeben mit mächtigen, aufgetürmten Epizentren.
    Heilige Dreifaltigkeit! Was war denn da draußen los?
    Séfora strengte all ihren Willen an und schaffte es, die Barriere zu sprengen und eine begrenzte Leitung zur anderen Seite zu legen. Was aber dann durch die Öffnung auf sie zukam, hatte sie nicht erwartet. Ein Energiestrahl schlug ihr mit tektonischer Gewalt entgegen und drohte sie von innen zu zerreißen. Séfora heulte auf. Ihr sterblicher Körper krümmte sich. Ein paar Sekunden lang schwebte sie über der Erde, als hielte allein der Schmerz sie in der Luft. Dann sank sie bewusstlos zu Boden.
    Der letzte Gedanke, der in ihrem Geist schwebte und schwächer und kleiner wurde wie eine Flamme, die dem Windhauch nicht standhalten kann, war ein Hilferuf an ihren Meister. Und eine Frage, die wieder ohne Antwort blieb: Warum hatte sie ein zorniges Tosen gehört, einen Chor von Engeln, die zu Hunderten, zu Tausenden starben, als stürzten über ihren Köpfen die Mauern der Insel des Lichts ein, während die Trompeten von Jericho im Hintergrund ein ohrenbetäubendes Getöse veranstalteten?
    Was war nur im Himmel los?
    Erik war am nächsten Morgen als Erster wach.

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