Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)
hervor und sah ihn verführerisch an.
»Kurz dachte ich, du hättest mein Zeichen gar nicht gesehen«, schnurrte sie.
»So blind hätte ich nie sein können.« Erik strahlte. Er packte sie an der Taille. »Hör zu, Süße. Ich kann leider nicht mehr lange auf der Insel bleiben, aber ich wollte nicht einfach so gehen, ohne mich von dir zu verabschieden.«
»Ihr reist schon wieder ab? So bald?«
»Ich kann dir nicht genau sagen, wann. Aber dass wir die Insel in Kürze wieder verlassen, ist eine Tatsache. Eine tragische« – er zog sie zu sich heran – »äußerst bedauerliche« – und schlang die Arme um ihre Hüften – »Tatsache.«
Sie legte ihm die Arme um den Hals. »Na, dann sollten wir die Zeit, die uns bleibt, auch nutzen. Was meinst du?«
Erik küsste sie lange und innig.
Wie schön das Leben war!
Die Seilbahn setzte sich mit einem Quietschen in Bewegung. Als die Gondel ein paar Meter zurückgelegt hatte und der Boden unter ihnen wegsank, stießen die Touristen halb begeisterte, halb erschrockene Rufe aus. Als sie am Fuß der Steilküste ankamen, fächerten sich die Wellen, die sich in der Bucht brachen, in seidige Staubwedel auf.
»Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen«, sagte Mauro und klammerte sich am Sitz fest. »Habt ihr Engel keine Höhenangst?«
Séfora schüttelte den Kopf. »Die Höhenangst ist eine psychologische Reaktion auf die Gefahr, zu fallen und sich dabei wehzutun. Wir Engel unterliegen aber nicht der Schwerkraft. Es besteht also keine Gefahr.«
»Wie beneidenswert«, sagte Tanya. »Ich möchte ein Engel sein wie du. Bitte, bitte, biiiiitttteeee.«
Séfora streichelte ihr über die Wange. »Das wirst du. Und ein viel besserer als ich.«
Fünfzehn Touristen unterschiedlicher Nationalitäten drängten sich mit ihnen auf engstem Raum. Da aber alle gleichzeitig und alle in ihren jeweiligen Sprachen durcheinanderredeten, konnten sie ohne Bedenken über ihre Geheimnisse sprechen. Hätte allerdings jemand ihr Gespräch belauscht, wäre er nie auf den Gedanken gekommen, dass sie das alles wirklich ernst meinten.
»Ninives Fähigkeiten sind unglaublich«, staunte Tanya. Sie konnte noch immer nicht fassen, dass sie nur mit ein wenig Konzentration jede beliebige Sprache verstehen und sogar sprechen konnte. »Wäre ich Ninive schon vor ein paar Jahren begegnet, hätte ich mir das Geld für die ganzen Englisch- und Französischkurse sparen können.«
»Darf ich dich etwas fragen?«, sagte Mauro plötzlich.
Séfora zuckte mit den Schultern. »Natürlich …«
»Es betrifft die … ich nenne sie jetzt einfach ›Klassifizierung‹ der übernatürlichen Wesen.«
Séfora sah ihn stirnrunzelnd an. Sie hasste allzu philosophische Gespräche, vor allem wenn sie ungelegen kamen. »Aha.«
»Du hast uns ja schon erklärt, dass ihr Engel nicht alle gleich seid. Dass es sogar im Himmel verschiedene Klassen gibt. Als da wären die Cherubim, die Erzengel, die Gewalten, die Tugenden und so weiter.«
»Ja, aber die Hierarchie des Himmels ist nicht vertikal. Alle sind gleich wichtig. Jeder auf seine Weise, mit seinem ganz persönlichen Auftrag.«
»Okay, kapiert. Aber dann würde mich noch interessieren, ob es in der gegnerischen Partei auch so eine horizontale Hierarchie gibt. Wir hatten es bisher ja nur mit zwei Teufelsarten zu tun, den Lamassu und den Desmodu. Gibt es noch mehr?«
Auf diese Frage dämpfte Séfora dann doch etwas die Stimme. »Unendlich viele. Die Teufel untergliedern sich im Gegensatz zu den Engeln in eine schier unendliche Liste von Kategorien. Und ständig tauchen neue auf, die uns unbekannt sind.«
»Welche denn?«
»Nun, da gibt es zum Beispiel die Baatezu, die Grabler, die Belial, die Lamien, die Temari.« Séfora zählte sie an den Fingern auf. »Nicht zu vergessen die Inkuben und Sukkuben …«
»Die Namen der letzten beiden hab ich schon mal gehört.«
»Das sind Dämonen mit einem sexuellen Wesen, die sich bei den Menschen großer Beliebtheit erfreuen«, erklärte Tanya. »Geister, die die Seelen von Männern und Frauen verderben, indem sie ihnen extreme, abartige Freuden anbieten.« Sie verzog ihr Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Es ist nicht zu übersehen, wo unsere größten Schwachstellen liegen, was?«
Cassandra zog die Tür hinter sich zu, als sie mit Erik das Zimmer betrat. Ihre Augen funkelten indigoblau.
»Endlich sind wir allein«, säuselte sie, und ihre Stimme klang wie der Wind zwischen ausgedörrten Schilfhalmen. Ihre Brust hob und
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