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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Víctor Conde
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senkte sich im Rhythmus einer oberflächlichen, beschleunigten Atmung.
    »Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich mich auf diesen Augenblick gefreut habe«, gestand Erik und ließ sich rückwärts aufs Bett fallen. Das Mädchen bewegte sich langsam auf ihn zu, glitt durch den Raum wie eine Schlange, die sich auf ihre Schwanzspitze stellt, um dem Opfer ihre volle tödliche Länge zu demonstrieren. Und Erik wünschte sich mehr als alles andere auf der Welt, von ihr gejagt zu werden. Er würde sich ihr als Opfer darbieten und alles tun, worum Cassandra ihn bat. Dafür brauchte sie nur ihren sinnlichen Mund zu öffnen und es ihm ins Ohr zu flüstern.
    »Ich auch, mein Süßer. Ich auch. Aber jetzt sei still und zeige mir, woher ihr Inselbewohner diese feurige, verführerische Ausstrahlung habt …«
    »Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber ich bin kein Inselbew…« Er verstummte, als ihm das Mädchen mit den Lippen den Mund verschloss. Ein Sturm von Empfindungen überkam ihn, die längst nicht alle angenehm waren. Vielmehr schien es, als mischten sich hundert verschiedene Liebestränke mit dem Schmerz einer langen, heftigen Folter, die ihm den Körper und den Geist zerstören konnten. Es war ein kritischer, glücklicher und zugleich schreckenerregender Moment, der ihm alle Kraft entzog, als hätte das Mädchen mit ihrem Kuss sämtliches Leben in ihm einfach aufgesogen.
    Als sie endlich wieder von ihm abließ, fühlte er sich, als wäre er einen Marathon gelaufen. »Was war das?«, keuchte er. »Warum fühle ich mich so komisch? Ich kann mich … kaum …« Er versuchte, sich mit dem Unterarm auf der Matratze abzustützen. Aber es war, als vertraute er sein Gewicht einem Grashalm an, und er sank wieder auf das Laken zurück. Selbst das Atmen schien ihm allzu anstrengend zu sein.
    Die Frau setzte sich so über ihn, dass er sich nicht mehr bewegen konnte, während sie mit ihrer langen, wendigen Zunge seine Lippen umspielte.
    Mit Entsetzen sah Erik, dass ihre Zunge wie die einer Schlange an der Spitze gespalten war.
    »Entspann dich nur, Süßer«, flüsterte Cassandra. »Überlass ruhig alles mir. Ich werde dir Landschaften der Ekstase und des Schmerzes zeigen, wie sie noch kein Mensch zuvor gesehen hat. Du allein genießt dieses Privileg. Und du wirst es mir danken. Im Laufe der Jahrtausende wirst du mir eines Tages dankbar sein, Kleiner, das verspreche ich dir.«
    Das Versprechen ewigen Schmerzes hing wie eine Grabschrift zwischen den beiden. Erik versuchte, um Hilfe zu rufen, aber selbst das war für seine reduzierten physischen Kräfte viel zu anstrengend.
    Séfora spürte, dass etwas nicht in Ordnung war. Ninives Spiegel war heiß. So heiß, dass sie ihn kaum noch mit der bloßen Hand halten konnte. Er reagierte automatisch auf die große Machtzunahme in der Umgebung. Und das konnte nur eins bedeuten.
    »Sie sind hier«, flüsterte sie, als offenbarte sie den anderen ein Geheimnis. »Hört mir gut zu.« Mit ernster Miene wandte sie sich an ihre Gefährten. »Wenn ihr unten seid, wartet am Strand auf mich. Ich werde euch später einholen.«
    »Warte!«, rief Tanya. »Wohin gehst du? Was ist los?«
    Séfora legte den Sicherheitsriegel um und öffnete ein Gondelfenster. »Wir haben einen schwerwiegenden Fehler begangen. Erik ist in größter Gefahr«, lautete ihre einzige Erklärung. Dann stürzte sie sich aus dem Fenster ins Nichts.
    Niemand drehte sich nach ihr um. Die Touristen beschwerten sich über den Windstoß, der die Gondel erfasste und gefährlich durchrüttelte und der sofort nachließ, als Mauro das Fenster wieder schloss. Aber niemand sah, wie Séforas Körper einige Meter in die Tiefe fiel, bevor sie, begleitet von einer gleißenden Lichtexplosion, die Flügel ausbreitete und sich in die Lüfte schwang.
    Tanya fragte sich, welche Sorte Fehler sie wohl begangen hatten. Doch in diesen Sekunden erreichte die Seilbahn die Talstation.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Mauro erschrocken.
    »Was sie uns aufgetragen hat. Warten.« Tanya packte ihren Gefährten am Ellbogen und führte ihn aus dem Strom von Touristen heraus, um den Fußgängerverkehr zwischen der Landungsbrücke und den Schaluppen nicht zu behindern. »Und wenn du dich traust, bete, dass Erik nichts zustößt. Sonst ist dieser Kampf verloren, bevor er überhaupt angefangen hat.«
    Als Séfora mit flammendem Schwert-Zeichen in die Pension stürmte, war es bereits zu spät. Eriks Körper war verschwunden, nicht aber die gewundene

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