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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Víctor Conde
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beschattete sich mit der Hand die Augen. Und da sah sie sie auch. »Ich kann es kaum glauben«, murmelte sie. Sie erkannte sofort, wer von beiden Séfora war. In ihre Rüstung aus kleinen zusammengenähten Steinchen gehüllt, versuchte sie, den Angriffen ihres Widersachers auszuweichen und ihm ihrerseits einen Hieb zu versetzen.
    Tanya hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht unwillkürlich aufzuschreien.
    Ihr Gegner war von menschenähnlicher Gestalt, das war nicht zu leugnen. Allerdings gab es auch einige entscheidende Unterschiede. So besaß das Scheusal vier Arme und zwei Beine, außerdem zwei Hörnerpaare, die ihm aus dem Schädel wuchsen, und riesige Fledermausflügel, deren Spannweite Séforas Flügel um ein Vielfaches überragte. Auffällig war zudem sein reptilienartiger Schwanz, der an der Spitze einen bedrohlichen hakenförmigen Sporn besaß. Ganz zu schweigen von seiner Waffe, einem Schwert mit Doppelknauf und spitz gezackter Klinge, die aus der Ferne aussah, als wären menschliche Schädel darin eingelegt.
    Die Hiebe des Dämons schnitten rote Blitze in die Luft, während Séforas Schwert weiße Schleifen in den Himmel malte. Zusammen bildeten sie ein Geflecht aus flackernden Leuchtbändern, die der brutalen Choreografie der Auseinandersetzung folgten. Séfora blieb überwiegend in der Defensive und achtete vor allem darauf, den nötigen Abstand zu wahren und die Stöße des Desmodus zu parieren. Letzterer hingegen kämpfte mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, und griff pausenlos an. Er folgte Séfora überall hin und versuchte allen ihren Bewegungen, Finten und Paraden zuvorzukommen.
    Der Engel war zwar nicht verletzt, aber er schien auch nicht Herr der Lage zu sein.
    »Wir müssen da rauf und ihr helfen!«
    »Ja, aber wie?«, fragte Mauro.
    Beide blickten zur Gondel hinüber, die abfahrbereit in der Talstation stand, um eine neue Ladung Touristen nach Imerovigli hinaufzubefördern. Offenbar hatte außer ihnen niemand mitbekommen, was sich da über ihren Köpfen abspielte.
    »Bist du ganz sicher, Tanya?«
    Mit einem Satz sprang sie in die Gondel. Mauro folgte ihr. In der engen Kabine drängten sich mehr als zwanzig Urlauber, die offenbar gerade zum ersten Mal das Kreuzfahrtschiff verlassen hatten. Erwartungsvoll schauten sie zum Dorf hinauf, betrachteten die fantastischen architektonischen Ornamente der Häuser und die sich langsam und majestätisch drehenden Flügel der Windmühlen.
    »Vertraue dir selbst«, riet ihm Tanya. »Das war der beste Rat, den Ninive mir gegeben hat. Sie prophezeite mir, dass ich die Kraft, die mein wahres Ich zum Vorschein bringt, in mir selbst finden werde. Ich müsse nur nach ihr suchen.« Die Türen wurden geschlossen, und Tanya hielt sich am Sicherheitsgeländer fest. »Welcher Augenblick könnte geeigneter sein, um es einfach zu versuchen?«
    Mauro war einverstanden, wenn er auch im Hinblick auf seine Möglichkeiten nicht ganz so optimistisch wie Tanya war.
    Mit einem Ruck setzte sich die Gondel in Bewegung. Die Touristen, fast allesamt Spanier und Italiener, plauderten unbekümmert über dieses und jenes. Sie sagten nicht »Vorsicht vor dem gewaltigen Flammenschwert!«, sondern Sätze wie »Hat dir Delos gefallen?«, »Ja, vor allem die Löwen, obwohl uns der Führer erzählt hat, dass es Nachbildungen sind. Hast du die Kritzelei auf der Statue gesehen, die der amerikanische GI im Zweiten Weltkrieg hinterlassen hat? Lustig, oder?«
    Tanya und Mauro drückten sich gegen ein Fenster und starrten auf die Hausdächer, zwischen denen die gelegentlich auftauchenden Gestalten der Kämpfenden im Zickzack hin und her flitzten.
    Im Gegensatz zu Séfora war ihr Gegner in der Lage, der organischen Materie mit seiner Waffe Schaden zuzufügen. Der Beweis dafür waren die Vögel, die den Schwerthieben nicht auswichen, weil sie sie nicht sehen konnten, und in rötliche Wolken zerstieben. Aber etwas stimmte nicht, ein Detail stand im Widerspruch zu Séforas Lehren. Ihr zufolge hatten die Teufel nur auf alles Lebendige eine zerstörerische Wirkung, nicht aber auf tote Materie.
    In dem Augenblick jedoch, in dem die Kämpfenden ihre Flughöhe verringerten und zwischen die Hauswände gerieten, waren die Verwüstungen, die der Desmodu mit seinem Schwert anrichtete, nicht zu übersehen.
    Während Tanya und Mauro weiter mit der Gondel nach oben fuhren, schoben sich die Straßen des Dorfes in ihr Blickfeld: Die Leute verließen aufgeregt ihre Häuser, liefen von hier nach dort

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