Botschaft des Schreckens
diese Bande uns heimsuchen will.« Ein Ausdruck der Traurigkeit trat in ihr Gesicht, als sie hinzufügte: »Es ist gut, einen Gast zu haben; von meinen Freunden lebt jetzt fast keiner mehr. Alte Frauen wie ich sind wie Geister auf den Straßen der ›Königlichen Stadt‹. Jedes Jahr werden wir weniger, von der Zeit verweht wie Blätter im Wind. Ich glaube« – sie lächelte ein wenig – »ich halte mich nur so lange, weil es noch keine geeignete junge Frau gibt, die meinen Platz hier auf der Hacienda Montera einnehmen könnte.«
Sie ist alt, dachte ich. Sie scheint sich über die Gefahr, die ihr droht, gar nicht klar zu sein. Rasch sagte ich: »Das sollte doch kein Problem sein. Viele junge Frauen suchen nach einem Mann.«
Sie schüttelte den Kopf. »Wenn eine junge Frau nach einem Mann Ausschau hält, dann heißt das noch nicht, daß sie hierher paßt. Antonio und Miguel gehen mit ›gringas‹ – lassen Sie mich überlegen… Sie heißen Liz und Susan – aber sie bringen sie nicht hierher, weil sie das wissen.«
Das hätte beinahe Mrs. Hallum sagen können. »Nun«, bemerkte ich, »vielleicht löst Carlos das Problem, indem er sich wieder verheiratet.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Manche Menschen lieben nur einmal im Leben… und das ist die große Liebe… Die armen Leute, von denen man dauernd liest, die ihre Ehemänner tauschen und sich scheiden lassen – sie wissen ja gar nicht, was Liebe ist! Father Vala hat Dolores und Carlos getraut. Die Gitarren hätten Sie hören – die Tänze sehen sollen!« Die alte Dame erwachte aus ihren Erinnerungen. »Kommen Sie«, sagte sie, »Rosa wird Ihnen zeigen, wo Sie sich frischmachen können.«
Als Rosa Moreno, eine korpulente, freundliche Frau, ein wenig später vor mir herwatschelte, überlegte ich mir, warum ich diese Einladung angenommen hatte. Aber als mich Rosa in ein Schlafzimmer im hinteren Teil der Hacienda führte, wo mich die selben gekalkten Wände, das gleiche dunkle Mobiliar und die wilden Farben erwarteten, wußte ich es: Ich hatte mich gescheut, zurück in die Stadt zu fahren. Zum ersten Male seit Stunden fühlte ich mich in Sicherheit. Die Geborgenheit, die die Hacienda mir bot, schien mich in die alten, längst vergangenen Zeiten zurückzuversetzen, wo starke Männer und starke Mauern die Frauen beschützten!
Ich dachte an Bobs scherzhafte Worte: »Sieh zu, daß du da drinnen nicht verlorengehst, Red.« Verlorengehen? Wie albern! Ich blieb ja nur noch zum Abendessen.
Aber als ich sagte: »Danke, Rosa. Tut mir leid, daß Sie meinetwegen Ihre Arbeit unterbrechen mußten«, lächelte sie. »Das Abendessen wird schon fertig, Señorita. Dafür sorgt meine Nichte Teresa. Und dieses Zimmer… das halte ich schon seit Tagen für Sie bereit.«
»Was?« Ich glaubte, nicht recht gehört zu haben. »Was sagten Sie eben, Rosa?«
Rosa lächelte. »Dieses Zimmer hat schon auf Sie gewartet. Ich wußte, daß Sie auf die Hacienda Montera kommen werden. Das habe ich in den Karten gelesen.«
Tatsächlich war das Zimmer sorgfältig hergerichtet. Holzscheite knisterten im Kamin. Mir lief es kalt über den Rücken- das Ganze kam mir unheimlich vor.
»Sehr freundlich von Ihnen, Rosa, aber das war nicht nötig. Ich muß nach dem Essen zurück in die Stadt. Übrigens, Dona Isabella sagt, daß Sie wundervoll kochen. Ich freue mich schon «
Damit, dachte ich, war das Thema abgetan. Aber Rosas nächste Worte trafen mich wie ein Hieb. »Dazu werden Sie ausgiebig Gelegenheit haben, Señorita. In den Karten stand, daß eine Dame aus weiter Ferne zur Hacienda kommt;… aber nicht geht. Ich möchte Sie nicht beunruhigen. Aber die Karten lügen nun einmal nicht.«
Ich schaute ihr zu, wie sie das Bett herrichtete. Es war unglaublich, wie Rosa an ihre Zukunftsvisionen glaubte! Während sie die Kissen zurechtklopfte, hörte ich draußen den Wind unheimlich durch die riesigen Bäume rauschen. Dann fiel mir ein, daß sich schon meine Eltern über die Wahrsagerei der Mexikanerinnen lustig gemacht hatten. Plötzlich fand ich sie selbst komisch. Wenn Rosa an diesen Unsinn glauben wollte, sollte sie. Ich jedenfalls nicht!
»Dieses Mal haben Ihre Karten nicht die Wahrheit gesagt, Rosa«, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen. »Falls ich diese›Dame‹ sein sollte: Ich gehe auf alle Fälle gleich nach dem Essen.«
Langsam und würdevoll wandte Rosa sich um und sah mich an. »Auch wenn Sie es nicht glauben… meine Karten, sie lügen wirklich
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