Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
Gedanken.
Das ist jetzt ein ganz wichtiger Moment. Du musst jetzt wach sein. Sie nickte. Sie fragte sich, weshalb die Gedanken in ihrem eigenen Kopf »Luis« sagten.
Sie waren allein. Von den Kollegen war nichts zu sehen und zu hören. Weit konnte es nicht mehr sein. Noch ein paar hundert Meter, und sie würden im Glottertal herauskommen.
Im Glottertal, wiederholten die Gedanken.
Denk doch endlich nach!, schrien die Gedanken.
Sie hielt inne. Endlich erinnerte sie sich, wo in den vergangenen Tagen von Amerikanern die Rede gewesen war.
Adam Baudy hatte sie in seinem Bericht erwähnt. Amerikaner im Großen Tal.
Das nur drei, vier Kilometer von Riedingers Weide entfernt begann.
Thomas Ilic wartete auf sie. Er legte einen Finger an den Mund, gemeinsam gingen sie weiter. Dreißig Meter vor ihnen endete der Wald an einer Lichtung, auf der sich ein kleines weißes Haus befand. Jenseits davon führte eine Schotterstraße in den Wald, die einzige Zufahrt zum Haus. Sie verlief entlang des Hügels und mündete auf langen Umwegen im Glottertal.
Bermann, Pauling und zwei MEK-Kollegen waren hinter Bäumen in Deckung gegangen, die anderen mit dem Kommandoführer verschwunden. Thomas Ilic wies auf die Kripokollegen, die ein paar Meter hinter Bermann standen. So leise wie möglich gingen sie zu ihnen.
Niemand sprach. Es roch nach Schweiß,
Pfefferminzkaugummi und Kaffee.
»Habt ihr Kaffee hier?«, flüsterte sie begeistert.
Thomas Ilic lächelte. Zellophan knisterte – Pocket Coffees. Er ließ eins in ihre Hand fallen, sie hob den Blick, sagte mit dem Blick, eins nur, spinnst du? Na gut, sagte Thomas Ilic mit dem Blick, und ein zweites fiel zum ersten. Mehr, sagte sie mit dem Blick, ich kauf dir den Rest ab, hundert Euro für die restlichen zwei, das ist doch mal ein Geschäft, Illi, ihr seid doch in eurer Familie Händler, schlägt da jetzt bei dir nicht die Händlerseele durch?
»Na, weißt du«, flüsterte Thomas Ilic.
»Ihr seid doch Händler«, flüsterte sie zurück.
»Was?«
Sie schüttelte den Kopf, bekam die letzten Pocket Coffees, packte sie aus und aß alle auf einmal.
»Übrigens«, flüsterte Thomas Ilic. Sie brachte den Kopf kauend an seinen Mund. Neuigkeiten von Wilhelm Brenner. Er hatte – da Bermanns Telefon ausgeschaltet war – Schneider angerufen, Schneider hatte Löbinger angerufen, Löbinger hatte vorhin alle informiert. Die Kriminaltechniker hatten in Riedingers Schlafzimmer einen Teilabdruck eines Schuhs gefunden, der nicht von Bo stammte. Jemand war mit dem äußersten Rand eines Absatzes in die Blutlache auf dem Boden getreten. Jemand, der nach dem Mord in Riedingers Schlafzimmer gewesen war. Nicht sehr lange danach, aber doch eine Weile – eine Stunde vielleicht, schätzten Brenners Leute angesichts von Gerinnungsfaktor und Konsistenz des Blutes auf dem Boden, den Eigenschaften des Abdrucks.
Thomas Ilic sah sie an, wartete auf einen Kommentar. Sie sagte nichts, schluckte erst, spürte die Schokolade in ihren Magen rutschen, den Kaffee in ihren Kopf steigen. Das hilft jetzt, beschloss sie.
Der Schuhabdruck. Viele Möglichkeiten gab es nicht. Jemand von PADE, jemand vom BND. Doch Marcel hatte gesagt: Ihr habt nicht aufgepasst, wir haben nicht aufgepasst. Hieß das nicht, dass der BND nicht in der Nähe gewesen war, als Riedinger ermordet wurde? Aber weshalb hätte jemand von FADE, dem mutmaßlichen Auftraggeber, so kurz nach dem Mord auf den Hof kommen sollen?
Sie zuckte die Achseln. »PADE oder der BND«, flüsterte sie klebrig.
»Oder die Leute, die das Depot gesprengt haben.«
Die hatte sie vergessen. Sie nickte. Die Leute, von denen Marcel nichts wusste.
Sie erzählte von den Amerikanern im Großen Tal. Thomas Ilic sagte nichts. Sie spürte, dass er skeptisch war.
Eine Hand berührte ihren Arm, Anne Wallmer trat zu ihnen.
Ihr Gesicht glänzte vor Schweiß, auf ihrer Stirn klebte ein kleines Stückchen Rinde. »Heute Nachmittag …«, begann sie.
Louise entfernte das Stückchen Rinde, und Anne Wallmer fuhr sich überrascht mit der Hand über die Stirn. »Heute Nachmittag, während du geschlafen hast, hat ein Kollege vom LKA angerufen.«
Das Amt hatte die Quelle der Quelle der Quelle ausfindig gemacht, die am Montag erst Hinweise auf neonazistische, dann auf kroatisch-neonazistische Spuren gestreut hatte. Der Informant der Quelle hatte ausgesagt, er sei von einem Kontaktmann aus der »Politszene« angerufen und beauftragt worden, die Nachricht an die LKA-Quelle
Weitere Kostenlose Bücher