Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
von der Vertrauten zum notwendigen Übel, an ihr konnte es diesmal doch nicht liegen.
»Rolf?«, murmelte Thomas Ilic.
»Weißt du da was?«
»Wir haben heute … gestern ein bisschen gesprochen.«
»Während ich geschlafen hab.«
Er nickte.
Rita Bermann wollte, dass die Karriere ihres Mannes weiterging. Er sollte Inspektionsleiter werden, und langfristig war der Sprung in den höheren Dienst geplant. Ein Jahr Fachhochschule Villingen-Schwenningen, ein Jahr Führungsakademie Münster, nicht unbedingt sofort, irgendwann halt, da ließ sie ja mit sich reden, Hauptsache, dies war und blieb der Plan. Dass er ein hervorragender Dezernatsleiter war, nun, schön und gut, was half es, wenn es nicht weiterging?
Besoldungsgruppe A 14 klang nun mal besser als A 13, und A 15 war doch ein lohnendes Ziel. Gib mir Status, dann halte ich den Mund, dachte Louise. Dann kümmer ich mich um deine vielen Kinder und überseh deine vielen Frauen. Sie musste grinsen. Alles hatte eben seinen Preis. Auch die zahllosen hübschen, schlanken, erotischen Blondinen gab es nicht umsonst.
»Und Rolf, was sagt der dazu?«
»Dass er eigentlich lieber bleiben will, was er ist.«
»Und jetzt muss er was werden, das er nicht werden will.«
Thomas Ilic schwieg.
»Und das alles für die Liebe.« Sie lachte.
»Ha, ha«, machte Thomas Ilic. »Apropos Rolf.« Er hatte mit Bermann auch über Pauling gesprochen. Pauling hatte seinen Kommandoführer von allen Aufgaben entbunden. Er hatte gesagt, er müsse sich als Chef des MEK auf die Informationen und Einschätzungen seiner Leute verlassen können. Wer falsche Informationen und Einschätzungen bekomme, könne keine richtigen Entscheidungen treffen. Der Kommandoführer sei ohne Zweifel ein guter Mann, aber vielleicht für eine andere Position besser geeignet.
»Demokratie.« Sie gähnte. »Die Großen überleben.«
Demokratie und Liebe, dachte sie, was für scheinheilige Wörter, was für schleimige Wörter, damit war doch ursprünglich mal was anderes gemeint.
»Aber auf irgendeine Weise hat er auch Recht, findest du nicht?«, sagte Thomas Ilic.
Sie gähnte weiter. »Das Aber ist immer das Problem.«
»Schlaf ein bisschen.«
Sie lächelte. Das war ja mal ein Partner.
20
ALS THOMAS ILIC SIE WECKTE, standen sie in einer schmalen, dunklen Querstraße der Straße, in der Mahr wohnte.
Sie wollte aussteigen, doch er hielt sie zurück. Er war, sagte er, zweimal an Mahrs Haus vorbeigefahren. In einem Zimmer im Erdgeschoss rechts war Licht, in der Küche links war Licht.
Gesehen hatte er niemanden.
Sie blickte auf die Uhr. Viertel vor vier. Selbst Politiker schliefen morgens um Viertel vor vier.
Sie überlegten, ob sie Verstärkung anfordern sollten.
»Bis die da sind«, sagte sie gähnend.
»Die sind schnell da.« Thomas Ilic griff zum Telefon.
Aber nicht heute, heute würde es dauern. Die Fahndung nach Marcel und seinen Leuten, die Festnahme der Lehrerin in Ehrenkirchen, Busches in Lahr – jeder Beamte, der um diese Uhrzeit verfügbar war, war im Einsatz, andere wurden im Moment erst wachtelefoniert.
»Na, dann komm«, sagte Louise.
Aber Thomas Ilic blieb sitzen. Der Mann und die Frau aus Islamabad, dachte sie, und das Licht morgens um Viertel vor vier. Und Heuweiler. Heuweiler holte ihn ein.
»Nur umsehen, Illi.«
»Das wäre gegen deinen Ruf.«
»Den will ich doch loswerden.«
»Nachts um vier?«
»Wann sonst?«
Sie lachte.
»Na komm«, sagte Louise.
Sie stiegen aus.
Thomas Ilic ging voran, in die falsche Richtung, aber sie folgte ihm, auf ihren Ruf bedacht, schweigend. Sie kletterten über einen Zaun, liefen an einer Hauswand entlang, arbeiteten sich in eine Thujenhecke hinein. Durch die Zweige sah sie den hellen Schimmer eines erleuchteten Zimmers. Thomas Ilic legte den Finger an die Lippen. Sie waren da.
Im Schutz eines Gartenhäuschens traten sie auf einen kurz gemähten Rasen, in der Dunkelheit gingen sie ein paar Schritte auf ein Haus zu. Das Haus war alt und gemütlich, hatte zwei Stockwerke, Balkone im ersten, Erker im zweiten, lag inmitten eines großen grünen Gartens. Es gefiel ihr. Ein Haus für ein neues Leben. Sie brauchten doch ein neues Haus, Richard Landen und sie.
Thomas Ilic blieb stehen. Jetzt war das erleuchtete Zimmer gut zu sehen. Ein großes Wohnzimmer, ein Esstisch, Stühle, ein Couchtisch, Sessel. Am Couchtisch saß ein Mann. Er war, soweit sie es über die Entfernung von dreißig Metern beurteilen konnte, um die Sechzig, dünn, groß, fast
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