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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Im Sommer der Mörder
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geholt hatte, um jung zu bleiben, nie alt gefühlt hatte.

    7
    ALS SIE IN DER DIREKTION EINTRAF, war es kurz nach elf. In den Fluren stand heiße, trockene Luft. Sie ging in ihr neues Büro, wusch sich das Gesicht, trank einen halben Liter Wasser. Dann sprach sie ins Diktiergerät, was in der Kanzlei Uhlich & Partner und später im Haus von Marion Söllien geschehen war. Während sie aufstand, fiel ihr Blick auf die leere Wand gegenüber. Sie dachte an die lachenden Kinder in den roten Kutten, an die Kinder auf den Postern im Kaminzimmer von Uhlich & Partner. Alles schien die Unschuld zu verlieren, wenn man es in einen neuen Zusammenhang stellte. Wie schwierig es doch war, die Zusammenhänge zu entwirren und zum Ursprünglichen zurückzukehren.
    Wenn sie es richtig verstanden hatte, war das der Kern des Zen.
    Und natürlich der Polizeiarbeit.

    Sie brachte das Band zu einer der Sekretärinnen, bat sie, es möglichst rasch abzutippen und Alfons Hoffmann sowie Marianne Andrele Kopien der Mitschrift zu geben. Dann holte sie sich beim WuG eine Walther P5. Der WuG sagte nicht viel, sie sagte ebenfalls nicht viel. Sie unterschrieb, nahm die Walther und das Holster, bedankte sich. Der WuG nickte, ohne sie anzusehen. Als sie im vierten Stock aus dem Aufzug trat, klingelte ihr Handy. Eine Freiburger Nummer, die sie nicht einordnen konnte. Nicht drangehen, sagte eine innere Stimme.
    Sie ging dran.
    Richard Landen.
    Ausgerechnet jetzt.
    Sie blieb stehen, schwieg, dachte, er ruft nicht von Günterstal aus an, eine Freiburger Nummer, aber nicht seine, nicht die von Günterstal, von wo ruft er an, ausgerechnet jetzt ruft er an.
    »Hallo«, sagte sie. Sie setzte sich auf den Fußboden, lehnte sich gegen die Wand, schwieg, dachte: ausgerechnet jetzt.
    »Störe ich?«
    Seine Stimme klang anders, als sie sie in Erinnerung hatte.
    Müder, trauriger. Mehr nach Winter als nach Sommer. Schon wieder ein neuer Richard Landen – der fünfte mittlerweile. Sie lächelte. Der erste belehrend und langweilig, der zweite engagiert und erotisch, der dritte sich verbergend und deprimierend, der vierte abweisend und noch deprimierender, nun also ein müder, trauriger fünfter. Was für ein unentschiedener Mensch! Aber vielleicht fühlte sie sich auch deshalb so zu ihm hingezogen. Man musste diesen Menschen in mühsamer Kleinarbeit finden, selbst wenn er vor einem stand.
    »Louise?«
    »Ich muss in eine Sitzung.«
    »Okay.«
    »Wir … Sie waren im Kanzan-an. Warum?«
    Landen räusperte sich. »Erzähle ich Ihnen bei Gelegenheit.
    Telefonieren wir später? Oder morgen?«
    Später, morgen, dachte sie, das blöde, alte Spiel. Sie stand auf, sagte: »Taro ist tot, er ist am Flaunser erfroren.«
    »Ich weiß, es stand in der Zeitung. Schrecklich. Ich habe …
    Ich musste an Sie denken.«
    »Das ist gut. Haben Sie heute Abend Zeit?«
    »Nun … Ja.«
    »Und Ihre Frau?«
    »Ist in Japan und wird es bis heute Abend nicht schaffen.«
    Sie musste, trotz allem, lachen, und Richard Landen lachte ebenfalls, auf diese neue, traurige Winterart. Sie verabredeten, am Nachmittag zu telefonieren. Louise ging weiter. Als sie vor dem Soko-Raum stand, dachte sie: Auf den Mitternachtsmann folgt der Wintermann.
    Zumindest war dies das Programm.

    Im Soko-Raum saßen zwischen fünfzig und sechzig Personen.
    Gut die Hälfte davon gehörte zu Löbingers D 23 oder dem Dezernat für Staatsschutz der Freiburger Kripo, eine Handvoll zu Bermanns D 11. Unter den Übrigen befanden sich die Beamten, die gestern ebenfalls da gewesen waren, sowie Marianne Andrele, den Rest kannte Louise nicht. Die Fenster waren geöffnet, Verkehrslärm drang herauf. Überall standen mobile Stellwände, auf den Tischen PCs und Laptops. Ordner, Sichthefter, Papiere lagen herum. Das produktive Chaos einer Soko, das sie so liebte.
    Sie blieb für einen Moment an der Tür stehen. Zwei Männer, die sie noch nie gesehen hatte, stritten sich über Rottweil 1992.
    Der eine verteidigte die milden Urteile gegen die an dem Waffenhandel beteiligten Kroaten, der andere kritisierte diese Urteile. Ein Mann von der Staatsanwaltschaft, ein Mann von einer Polizeibehörde, das war nicht schwer zu erraten. Ein dritter, den sie ebenfalls noch nie gesehen hatte, ein Mann in einem blauen Hemd und mit klobiger Brille, sagte scharf: »Bei Kroaten drücken sie immer ein Auge zu, das ist schon unglaublich.«
    Die beiden anderen verstummten.
    Louise ging zu dem Stuhl, den Anne Wallmer neben sich freigehalten hatte. Einige

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