Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
Schrank mit den Postfächern, fand Fotokopien in ihrem, nahm sie mit zum Fenster. Informationen vom ED zum zweiten Depot. Keine Fingerabdrücke, dafür eine Handvoll recht guter, recht frischer Fußeindruckspuren, immer von denselben Schuhen. Ein schwerer Mann, um die einhundert Kilo, Schuhgröße sechsundvierzig. Sportschuhe, abgelaufenes Profil. Fotos und Skizzen lagen bei. Kein Zufall, kein Wanderer
– der Mann war in den vergangenen Tagen mehrfach an dem Depot gewesen.
Sie sah die übrigen Kopien durch. Analysen und Skizzen weiterer Fußeindruckspuren, Computerausdrucke von Fingerabdrücken – die beiden Männer, denen sie im Wald begegnet war. Keine Namen, keine Fotografien, weder Kripo noch Europol oder Interpol hatten sie erfasst.
Plötzlich stand Marianne Andrele neben ihr, ein Blatt Papier in der Hand. Louise räusperte sich. Die Bandmitschrift, der fehlende Durchsuchungsbeschluss. »Sie waren der Ansicht, dass Marion Söllien gefährdet ist?«, fragte Marianne Andrele, den Blick auf die Mitschrift gerichtet.
»Gefährdet sein könnte. «
Marianne Andrele sah auf. »Warum haben Sie mich nicht angerufen?«
»Tja, das ging nicht, es war …«
»… besetzt? Ja, ich habe heute Morgen ununterbrochen telefoniert.« Marianne Andrele schmunzelte. »Paragraph 102
oder 103 StPO?«
»103, Marion Söllien ist nicht tatverdächtig.«
»Warum der Erkennungsdienst?«
»Fingerabdrücke. Der Mann, mit dem sie die Wohnung verlassen hat.«
»Wer war bei der Durchsuchung der Wohnung anwesend?«
»Die Wohnung wurde nicht richtig durchsucht. Wir sind nur rein, und als klar war, dass keiner da ist, bin ich gegangen.«
» Wir sind rein, ich bin gegangen?«
»Der ED und zwei Kollegen der Fahndung sind noch dort.«
Andrele machte sich Notizen, nickte dann. »Wir regeln das.«
»Danke.«
Wieder ein Nicken. Nichts Persönliches. Eine rein berufliche Notwendigkeit. »Es geht weiter«, sagte Marianne Andrele und nickte Richtung Tür.
Almenbroich, die Stuttgarter, Bermann und Löbinger waren zurück.
Löbinger berief die große Runde wieder ein. Als alle saßen, sagte er: »Peter und Anne haben noch mal mit Berthold Meiering gesprochen, dem Bürgermeister von …«
»Moment«, unterbrach Louise. »Was ist mit Halid Trumic?«
Alle sahen sie an, niemand antwortete. Dann flüsterte Anne Wallmer: »Den hatten wir am Anfang.«
»Sie wird das Protokoll lesen«, sagte Bermann.
Ein paar der Anwesenden lachten, Almenbroich schmunzelte, Löbinger schüttelte kapitulierend den Kopf. Man bewegte sich, griff zur Kaffeetasse, entspannte sich. Eine Sekretärin erhob sich, um die Fenster zu schließen, Almenbroich und Alfons Hoffmann baten sie, es nicht zu tun.
»Also, können wir dann wieder?«, fragte Löbinger.
Louise wandte sich an den Staatsanwalt von Rottweil. »Was ist mit Trumic?«
»Warum halten Sie ihn für wichtig?«, fragte Almenbroich.
Sie erwiderte seinen Blick. Einen Moment lang wusste sie nicht, ob sie sprechen oder schweigen sollte. Zu viele Dienste, Ämter, Personen, Unbekannte, zu unübersichtlich die Soko, zu merkwürdig die Informanten. Ihr Blick glitt über die Auswärtigen. Welche Interessen verfolgten LKA, Kripo Stuttgart, Verfassungsschutz? Und was verschwieg Almenbroich?
Unerträgliche Fragen, unerträgliche Gedanken.
»Wir hören, Luis«, sagte Löbinger.
»Ernst Martin Söllien ist wichtig, der Anwalt von Trumic beim Rottweiler Prozess«, antwortete sie schließlich und berichtete von dem Gespräch mit Annelie Weininger, dem Besuch bei Marion Söllien. Sie spürte, dass sie nicht überzeugend klang. Sie sprach hastig, übersprang manches. Eine Stimme in ihr sagte: Bleib lieber vage.
Eine andere Stimme sagte: Was ist mit Täschle?
Sie schloss mit einer kurzen Bewertung, die ebenfalls wenig überzeugend war. Merkwürdige Zusammenhänge und Verbindungen – Rottweil 1992, Trumic, Söllien, der Schutzkeller, Waffendepots, Rüstungsfirmen. Marion Söllien, die möglicherweise eine Bedrohung für jemanden darstellte, der sie möglicherweise gegen ihren Willen fortgebracht hatte. Und die zeitliche Koinzidenz – sie betrat die Kanzlei, wenige Minuten später erschien der Mann bei Marion Söllien. Das schwächste Glied in der Argumentationskette.
»Ich wage ja gar nicht zu fragen«, sagte Löbinger, »aber hattest du einen Durchsuchungsbeschluss?«
»Hatte sie nicht, aber das regeln wir«, antwortete Marianne Andrele an ihrer Stelle. Die Kripoleute aus Stuttgart gaben spöttische Kommentare von
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