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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Im Sommer der Mörder
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Sicht. Der Streifenwagen stand am Ende der Schotterstraße, die Beamten waren nicht ausgestiegen.
    Louise fragte, ob Bermann denke, dass sie einen Fehler gemacht habe. Bermann sagte, nein, diesmal denke er das nicht.

    Als sie auf die Schotterstraße abbogen, sagte Bermann, das Problem sei nicht sie, sondern die Soko. Die Soko sei zur Gefahr für die Ermittlungen geworden. Zu groß, zu unüberschaubar, zu viele Eigeninteressen. Die Soko lähme sich selbst. Er gab zu, den Überblick verloren zu haben. Über die einzelnen Gruppen innerhalb der Soko, über die unterschiedlichen Interessen und Motive, über die Auswärtigen, deren Namen er größtenteils schon vergessen habe, über die Qualität der Spuren. »Viel zu wenig richtige Arbeit, viel zu viel Politik«, sagte er.
    Louise nickte. Sie hatte ihn noch nie so ratlos und deprimiert erlebt. Aber sie verstand, was in ihm vorging. Sokos waren die konzentrierte Kraft der Kripo. Ihr wichtigstes und effizientestes Mittel. Sokos waren heilig.
    Und Bermanns ganze Leidenschaft.
    »Wenn du Inspektionsleiter werden willst, musst du mit dieser Art von Politik klarkommen«, sagte sie.
    Bermann warf ihr einen finsteren Blick zu.
    Sie passierten den Streifenwagen, hielten. Schneider blieb hinter den Kirchzartenern stehen. Alle stiegen aus. Bermann instruierte sie. Drei Teams mit je zwei Leuten – er und einer der Postenpolizisten, Schneider und der andere, Louise und Anne Wallmer.
    Sie gingen los.
    Der Hof wirkte verlassen. Kein Riedinger, kein Hund.
    Die Haustür stand offen, wie gestern. Auf dem geschotterten Vorplatz bemerkte Louise die vom Regen verwischten Eindrücke unterschiedlicher Autoreifen. Die ihres Mégane mochten dabei sein, die der Wagen, mit denen Bermann, Andrele und die anderen gestern Nachmittag gekommen waren.
    Quer durch die Reifeneindrücke verliefen Spuren von Fahrradreifen. Täschle, als er gekommen war, Täschle, als er weggefahren war. Sie sah ihn vor sich, betrunken, gähnend, ächzend. Dann zog er das Handy hervor, rief sie an, fuhr telefonierend weiter.
    Und wenn er nur in einem Graben gelandet war? Seinen Rausch ausschlief? Wenn er …
    »Wartet«, sagte sie. Alle blieben stehen, wandten sich ihr zu.
    Sie rief den Polizeiposten an, bat Liebmann, einen Wagen nach Oberried zu Lisbeth Walter zu schicken.
    »Das geht nicht!«, schrie Liebmann. Er hatte keinen Wagen und keine Leute mehr. Die beiden Dienstautos und alle seine Beamten waren unterwegs. Jemand musste im Posten bleiben, der Posten musste doch besetzt bleiben, er musste im Posten bleiben.
    »Kümmern Sie sich drum, ja?«, sagte Louise verärgert und beendete das Gespräch.
    »Popos«, sagte Bermann.
    »Es gibt Unterschiede«, sagte Louise.

    Dann waren sie im Haus, sicherten Flur, Küche, Wohnstube, Bermann immer vorneweg, als müsste er verlorene Zeit, vergeudete Energien kompensieren. Im Erdgeschoss kein Riedinger, kein Hund. Bermann befahl Louise und Anne Wallmer, unten zu bleiben, arbeitete sich mit den anderen ins Obergeschoss vor. Louise stand in der Wohnstube, wurde einen merkwürdigen Gedanken nicht los: Nach wie vor war dies ein Zimmer für fünf Menschen, nicht für einen. In einer Anrichte unendlich viel Geschirr, ein Schrank mit Regalbrettern voller Gläser, zwei große Sofas, ein riesiger Tisch. Überall sah sie fünf Menschen. Eine Pendeluhr schlug Mittag. Sie ging in die Küche, derselbe Gedanke: Schränke, Boards, Gefriertruhe, Kühlschrank
    – alles für fünf Menschen. Am Kühlschrank klebten Fotos der verschwundenen vier. Sie waren grünstichig, die Farben verblasst, die Menschen darauf jung. Zwei Jungs, ein Mädchen, alle zwölf, dreizehn Jahre alt, dazu eine unscheinbare Frau in den Dreißigern. Riedinger entdeckte sie auf keinem der Fotos.
    Als hätte es ihn im Leben dieser vier Menschen nie gegeben.
    Sie hielt inne. Plötzlich waren keine Geräusche mehr zu hören.
    Keine Schritte, Stimmen, Befehle mehr. Nur noch Stille.
    Dann betrat Anne Wallmer die Küche. »Sie haben ihn.«
    Louise nickte, strich über eines der Fotos, dachte unwillkürlich: Jetzt ist er ganz aus eurem Leben verschwunden.

    Hannes Riedinger war im Schlaf erschossen worden. Zwei Kugeln hatten sein Gesicht unkenntlich gemacht, eine dritte ein Loch in die Brust geschlagen. Er war vom Bett gerutscht, lag auf der Seite. Um die Wunden surrten Fliegen. Kein Spiel, dachte Louise. Sie ging hinunter. Der Riedinger, den sie in Erinnerung behalten würde, stand vor einem Stall und hatte die Augen geschlossen. Ein

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