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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Im Sommer der Mörder
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Nächte, die anstrengenden Tage, die Hitze.
    Die Nachricht von Taros Tod, die Kämpfe gegen die Dämonen.
    Die Jagd im Wald, die Verletzung, der Vermummte. Der Mitternachtsmann gegangen, der Wintermann wieder da, Riedinger tot, Täschle verschwunden.
    Viel zu viel für ein paar Tage mit halbdurchwachten Nächten.
    Sie schloss die Augen.
    Trotz der Müdigkeit regte sich in ihrem Bewusstsein eine vage Erinnerung. Pakistan war in diesen Tagen schon einmal erwähnt worden – nur wann? Und von wem? Sie versuchte, sich zu konzentrieren.

    Pakistan.
    »Luis?«, sagte Alfons Hoffmann.
    Sie öffnete die Augen. »Entschuldige.« Sie bedankte sich, verabschiedete sich, schob das Handy in die Hosentasche.
    Plötzlich war die Erinnerung wieder da. Barbara Franke hatte Pakistan erwähnt. Wissenschaftler aus Pakistan waren in den Siebziger- und Achtzigerjahren im Kernforschungszentrum Karlsruhe ausgebildet worden. Und sie hatte einen Freiburger Ingenieur erwähnt, der illegal Chemie-Anlagen nach Pakistan geliefert hatte.
    Erst der Jugoslawienkrieg, jetzt das pakistanische Atomwaffenprogramm. Erst eine neonazistisch-kroatische Spur, jetzt eine muslimische Spur.
    Viel zu viel für ein paar Tage mit halbdurchwachten Nächten.
    Sie beschloss, dass sie zu müde war, um sich in den nächsten Minuten mit der alten oder der neuen Spur zu befassen.

    Sie bat die beiden Beamten, im Wagen zu warten, und ging allein den Fußweg zu Lisbeth Walters Haus hinauf. Schon von weitem hörte sie Klavierklänge. Das Stück kam ihr bekannt vor, irgendetwas Romantisches, Chopin, Schumann, einer der Russen vielleicht. Sie klopfte, niemand kam. Vor ihrem inneren Auge sah sie Lisbeth Walter am Flügel sitzen, Täschle auf dem Sofa zuhören. Einer der wenigen Tage mit Henny.
    Durch einen verwilderten Garten gelangte sie zur Rückseite des Hauses. Die Terrassentür des Wohnzimmers stand offen.
    Lisbeth Walter saß am Flügel, lächelte, als sie sie bemerkte, spielte weiter.
    Auf dem Sofa saß niemand.
    »Wunderbar, es geht Ihnen gut«, sagte Lisbeth Walter.
    »Kommen Sie herein, ich bin gleich für Sie da.«
    Louise trat ein, setzte sich dorthin, wo Täschle hätte sitzen sollen. Lisbeth Walter entschuldigte sich, sie könne ein Stück nicht mittendrin abbrechen. Louise ließ sich in das Polster sinken. Steh auf, dachte sie, such ihn. Aber sie rührte sich nicht.
    Die Musik, der Geruch nach Sonne, Büchern, Ruhe, die Müdigkeit hinderten sie daran.
    Und ein seltsames Gefühl der Erleichterung, das sagte: Auch wenn du ihn nicht siehst, er ist hier.
    Lisbeth Walter klappte den Tastendeckel zu. »Rachmaninow, Prélude Nummer fünf.« Sie setzte sich Louise gegenüber auf einen Sessel. »Ein schönes Stück, nicht wahr? Vielleicht ein bisschen banal in seinem Mitteilungsbedürfnis, in seiner vordergründigen Schönheit. Aber dann auch wieder geheimnisvoll, weil die rechte Hand das Thema teilweise in der Mittelstimme spielt, während in der Oberstimme eine zweite Melodie erscheint. Schwer zu spielen, ich sage das ganz unbescheiden.« Sie schmunzelte. »Ein Teil jener Welt, die ich Ihrer realen Welt entgegensetze. Und nun sagen Sie mir, welche schöner ist.«
    »Im Augenblick Ihre.«
    »Das heißt, mal die eine, mal die andere?« Lisbeth Walter senkte den Blick. »Möglicherweise haben Sie Recht. Ich hoffe nicht.«
    Sie schwiegen für einen Moment. Louise spürte, dass ihr Herz zu rasen begann. »Ist er hier?«
    Lisbeth Walter sah auf. »Es ist nicht das, was Sie denken.«
    Louise wollte lächeln, aber ihr fehlte die Kraft dazu.
    Erleichterung war anstrengend. Vielleicht war es auch nur anstrengend, nicht in Tränen auszubrechen.
    Endlich beruhigte sich ihr Herz. »Nein? Schade.«
    Lisbeth Walter lächelte.

    Später ging Lisbeth Walter nach oben, um Täschle, der im
    »Lesezimmer« lag, zu holen. Louise hörte Stimmen, Schritte, Türen. Sie rief Andy Liebmann an, bat ihn, seine Beamten und Bermann zu informieren, dass Täschle wieder aufgetaucht war.
    Lisbeth Walter kam herunter, hantierte in der Küche, ein Wasserkocher begann zu lärmen. Dann stand Täschle im Zimmer, bleich, zerknittert, riesig, und brummte: »Ist nicht das, was Sie denken«, und Louise erhob sich und umarmte ihn, um sich zu vergewissern, dass sie von Lisbeth Walters Welt zumindest für einen Augenblick wirklich in ihre zurückgekehrt war.
    Dass das Leben mit Henny weiterging.

    Dann machte sie Henny das Leben für ein paar Minuten zur Hölle. Was hatte er sich nur gedacht? Der halbe

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