Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
sich vor.
Dann füllte sich die leere weiße Wand gegenüber mit Hollerer, Niksch und viel, viel Blut. Zwei Leben, die ihretwegen ausgelöscht worden waren, auch wenn Hollerer überlebt hatte.
Für einen Moment war das Bedürfnis, sofort nach Konstanz zu fahren, ihn bei seiner Schwester zu besuchen, übermächtig. Sie hatte seit jenem Sonntag im Schnee nicht mehr mit ihm gesprochen, ihn seit ihrem Besuch im Krankenhaus nicht mehr gesehen. Erst die schweren Schussverletzungen, dann die Depression. Er hatte niemanden empfangen, das Telefon aus dem Zimmer entfernen lassen. Sobald er reisefähig gewesen war, hatte er sich in ein Krankenhaus nach Kaiserslautern bringen lassen, später in ein Rehabilitationszentrum im Odenwald.
Deutliche Botschaften.
Sie würde sie ignorieren.
Bevor sie das Büro verließ, nahm sie das Poster mit den asiatischen Kindern in den roten Mönchskutten und klebte es sorgfältig an die Wand.
Die Tür von Alfons Hoffmanns Büro, wo die beiden Hauptsachbearbeiter der Soko ihre Zentrale eingerichtet hatten, stand offen, im Raum war niemand. Louise sah auf die Uhr.
Halb sechs, noch eine halbe Stunde bis zur ersten Sitzung der neuen Taskforce. Viel Neues in diesen Tagen, dachte sie, wenn das mal gut ging.
Die Tür von Bermanns Büro war verschlossen. Das Gleiche bei Anne Wallmer, Schneider, Thomas Ilic.
Sie rief Bermann auf dem Handy an. Er war bei Almenbroich.
Sie hörte Löbingers erregte Stimme, andere erregte Stimmen fielen ihm ins Wort. »Komm rauf«, befahl Bermann.
In Almenbroichs Büro befanden sich etwa zwanzig Kripobeamte der Dezernate 11 – Bermann – und 23 – Löbinger –, außerdem die beiden Soko-Mitglieder aus dem Dezernat 13 – Staatsschutz
–, Almenbroich und Heinrich Täschle. Almenbroich saß leichenblass in seinem Sessel, die Kripobeamten hatten sich in Grüppchen über den Raum verteilt, Täschle stand allein an der Wand. Sie lächelte ihm zu, er nickte sichtlich erleichtert.
»Informiert sie«, sagte Almenbroich zu niemand Bestimmtem.
Die anderen verstummten, Bermann sagte: »Das LKA hat den Fall an sich gezogen. Die Soko ist aufgelöst, der Fall gehört Stuttgart.«
»Ach nein. Hat das auch was mit mir zu tun?«
»Es gab Beschwerden«, erwiderte Almenbroich, »aber das müssen Sie nicht ernst nehmen, das ist Politik, die brauchten einen Vorwand.«
»Der Vorwand ist gut«, sagte Löbinger heiser.
Almenbroich hob die Brauen. »Das Argument, dass der Fall wegen seiner internationalen Dimension für Freiburg zu groß sei, ist besser.«
»Und das nehmen wir einfach so hin?«, fragte Louise.
»Das LKA ist, wie Sie wissen, eine vorgesetzte Behörde, deshalb müssen wir das hinnehmen. Das ›einfach so‹ hätten Sie also weglassen können.«
Sie entschuldigte sich. »Und wie geht’s jetzt weiter?«
»Das LKA ruft eine eigene Soko auf«, erwiderte Löbinger.
Sein Blick wanderte von ihren Brüsten zu dem Verband um ihren linken Oberarm, kehrte zu ihren Brüsten zurück.
»In die wir welche Beamten schicken?«
Almenbroich beantwortete die Frage. Vom D 11 wollte das LKA Rolf Bermann, Heinz Schneider, Alfons Hoffmann, Anne Wallmer, von Löbingers D 23 Peter Burg und ein paar andere, dazu einige Freiburger Staatsschützer. Und Anselm?, wollte Louise fragen. Sie ließ es. Anselm Löbinger wollte das LKA offenbar nicht. Sie sah ihn an, und er erwiderte den Blick. Falls er enttäuscht oder verärgert war, ließ er es sich nicht anmerken.
Er hatte sich gut im Griff. Deshalb, dachte sie unwillkürlich, würde er Leiter der Inspektion I werden, nicht Rolf Bermann.
Das Innen zählte nicht, nur das Außen.
Die Münsterglocken schlugen sechs Uhr. Jemand flüsterte:
»Dienstschluss.«
»Ich habe eine Idee«, sagte Louise.
Sie hatten einen Mord. Also würde das Dezernat 11 eine Mordermittlung durchführen. Nicht mehr, nicht weniger.
Natürlich in Zusammenarbeit mit dem D 23, weil der Ermordete möglicherweise Kontakte zum organisierten Verbrechen gehabt hatte. Natürlich würde auch das D 13 involviert sein, weil vage Spuren zu neonazistischen und/oder ausländischen Personen führten. Und natürlich würde der Polizeiposten Kirchzarten an der Ermittlung beteiligt sein, schließlich hatte der Ermordete in Kirchzarten gelebt.
Bermann lächelte müde und klopfte ihr auf die Schulter.
Almenbroich murmelte, den nächsten Anruf des LKA-Präsidenten werde er zu ihr durchstellen. Alfons Hoffmann sagte, sie solle sich unbedingt ebenfalls für die Leitung der
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