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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous
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ausgerechnet: noch drei Tage, das sind ungefähr fünfzehn verschiedene Weißkittel. Hosentaschen, Handtaschen – nichts ist vor Louis’ geschickten Fingern sicher. Bald haben wir genügend Geld, um es ein Weilchen auszuhalten.
    Noch zwei Nächte. Wir sind gerade dem Nachtwächter gefolgt. Gegen zwölf Uhr holt der Mann Kaffee aus dem Automaten unten im Versammlungsraum. Einer von uns muss ihn irgendwie weglocken, damit der andere die Schlaftabletten in seinen Kaffee geben kann. Danach haben wir überall nach einer Zange gesucht, aber die war nirgends zu finden. Da hatte Louis plötzlich eine geniale Idee. Im Chemielokal wurden etliche Flüssigkeiten aufbewahrt, mit denen im Unterricht Versuche durchgeführt wurden. Wir haben eine Flasche Salpetersäure mitgenommen. Wenn wir das über den Maschendraht gießen, löst sich das Eisen von selbst auf. Zumindest hoffen wir das.
    In einer Stunde ist es so weit. In meinem Rucksack steckt die Flasche mit Salpetersäure, die Rolle Geldscheine, das Aufnahmegerät, der USB-Stick mit allen Daten und das Döschen mit den Schlaftabletten. Louis behält auf seinem Handy die Zeit im Auge. Die ist zäh wie Sirup. Wir müssen bis kurz vor zwölf warten, zu dem Zeitpunkt holt sich der Nachtwächter Kaffee. Ich habe mir schon hundert Dinge überlegt, die schiefgehen können, und bin einem Nervenzusammenbruch nahe.
    »Bitte schreib ein bisschen oder mach sonst was«, sagte Louis. »Ich werde noch wahnsinnig von deinem Herumtigern.«
    Also berichte ich eben vom vergangenen Tag:
    »Was habt ihr denn bloß?«, fragte Coach Two uns beim Fitnesstraining. Er setzte sich auf ein Rudergerät und griff nach den Rudern.
    »Kümmere dich um deinen eigenen Kram«, murmelte Louis.
    »Das sind unsere Angelegenheiten«, sagte Four, der in letzter Zeit ein Herz und eine Seele mit Two und Three ist. »Es ist wichtig, dass wir alles mit der Gruppe teilen.«
    »Gruppe, Gruppe«, sagte Five in boshaftem Ton. »Denk dir doch mal ein anderes Füllwort aus.«
    Der Weißkittel schaute ihn mit gerunzelter Stirn an.
    Five erstarrte kurz. »Entschuldigt, Leute. Das war ausgesprochen unfreundlich von mir.«
    Ich dachte an einen Satz in der Digital-Boy-Akte: Reagiert gut auf Steuerung.
    Ob Doktor Rogers die Jungen vielleicht unter Hypnose setzte? Ein einziger Blick von den Weißkitteln und sie sind wieder in Trance.
    »Es ist Zeit«, sagt Louis.
    Mein Schädel ist plötzlich zu klein für mein Gehirn. Das nächste Mal, wenn ich in dieses Heft schreibe, bin ich frei!
    Ich bin ein wertloser Freund. Ich habe ihn im Stich gelassen. Ich stand dabei und sah zu. Ich hätte ihm helfen müssen. Kämpfen, schlagen, zur Not beißen. Aber unter meinen Sohlen klebte Leim und meine Muskeln gehorchten mir nicht mehr. Nur der Angstschweiß schwappte literweise aus meinen Poren. Ich bin ein Verräter. Es tut mir so leid. Wenn Louis mich nur hören könnte. Was werden sie mit ihm anstellen? Einen Sender in seinen Körper schießen? Ihn hypnotisieren? Oder noch schlimmer? Es war ein lächerlicher Plan. Wie hatten wir jemals denken können ...
    Anfangs lief alles wie geschmiert. Wir hatten unsere Bergschuhe mit den Schnürsenkeln aneinander festgebunden, damit wir sie uns um den Hals hängen konnten (Socken verursachen weniger Lärm). Ich trug den Rucksack mit all unseren Sachen und folgte Louis durch den Flur zum Versammlungsraum. Mit einer Handvoll Schlaftabletten versteckte er sich hinter einem Vorhang, der an der Wand hing.
    »Deine Füße«, flüsterte ich.
    Er schob sich näher an die Wand.
    »Perfekt. Vollkommen unsichtbar.« Ich ging in den Flur zurück und versteckte mich im Büro daneben. Fünf Minuten später erklangen Schritte. Der Nachtwächter. Ich wartete, bis er im Versammlungsraum war, und schlich wieder in den Flur. Sobald ich den Kaffeeautomaten brodeln hörte, schaltete ich das Aufnahmegerät ein. Louis und ich hatten mit der kleinen Stablampe an den Schrank gehämmert und dieses Geräusch aufgenommen.
    »Ist da jemand?«, fragte der Wächter.
    Tick, tick, machte das Aufnahmegerät. Das musste reichen, länger wagte ich nicht zu riskieren. Ich zog mich wieder in das dunkle Zimmer zurück, kroch hinter einen Aktenschrank und kreuzte die Finger.
    Wenn der Nachtwächter bloß ohne seinen Becher in den Flur trat, um zu schauen, woher das Geräusch kam. Wenn Louis bloß Zeit genug hatte, die Tabletten in den Becher zu geben. Wenn die Nachtwache bloß nicht auf die Idee käme, das Büro zu durchsuchen. Wenn der Mann

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