Boys Dont Cry
Familie. Ich wollte und brauchte niemanden sonst. Das Baby würde nie zu mir gehören, ich würde es nie gernhaben.
Wenn Dad nicht da gewesen wäre, hätte ich das Ding in meinen Armen auf den Boden gelegt und gegen die Wand geboxt, bis meine Hände geblutet hätten.
»Dante, sieh dir deine Tochter an«, sagte Dad.
»Wieso?«
Dad stand auf und kam zu mir herüber. Er korrigierte die Art, wie ich das Baby hielt, bis es in meiner Armbeuge lag. Es hatte die Augen geschlossen, sein Gesicht mir zugewandt. Jetzt musste ich es zum ersten Mal ansehen, richtig wahrnehmen. Das Gesicht war rund, mit dicken Backen und einem winzigen rosigen Mund. Was konnte der für einen Lärm produzieren. Das schwarze Haar umrahmte das Gesicht wie eine Badehaube. Und es hatte unglaublich lange Wimpern, die sich an die Wangen schmiegten, wenn es schlief. Warm und still lag es in meinem Arm, genauso erschöpft von all dem Weinen wie ich. Ich weiß nicht, was Dad erwartete. Glaubte er, ich würde bei diesem Anblick beschließen, dass es das Ding wert war, für den Rest meines Lebens Burger zu belegen? Glaubte er, ich würde es in meinen Armen halten und plötzlich merken, wie sehr ich es liebte? Tja, dann hatte er sich geirrt. Ich empfand überhaupt nichts.
Und das machte mir mehr Angst als alles andere.
11 ADAM
Oh. Mein. Gott. Hatte ich richtig gehört?
Dante hat ein Kind?
Oh-oh. Jemand kommt auf die Tür zu.
Zeit, mich zu verdrücken. Nur vorübergehend natürlich.
12 DANTE
Dad fuhr sich erschöpft mit der Hand über den Kopf. »Lieber Himmel, was für ein Schlamassel«, sagte er mehr zu sich selbst als zu mir. »Und ich komme sowieso schon zu spät zur Arbeit, spätestens Mittag wäre ich da, habe ich ihnen gesagt.« Er steuerte auf die Tür zu.
»Dad …« Ich versuchte zu sprechen, brachte aber kein weiteres Wort heraus. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, er müsse bleiben und mir helfen, diese Sache zu regeln. Ich wollte nicht, dass er ging. In diesem Augenblick kam ich mir vor wie auf einem anderen Planeten. Genau so fühlte ich mich, seit Emma in mein Leben getreten war.
Emma …
Und jetzt überließ mich Dad meiner Dummheit. Ich hatte es weiß Gott nicht besser verdient, aber ich brauchte irgendwo irgendjemanden, der mir half.
»Hallo, Ian, ich bin’s – Tyler. Tut mir leid, aber es ist was dazwischengekommen. Ich schaffe es heute überhaupt nicht mehr … Nein, nein, mit Adam ist alles in Ordnung. Er soll im Krankenhaus noch ein paar Untersuchungen machen lassen, aber es ist wohl nichts Ernstes. Nein … Ich meine, ja, aber das erkläre ich dir dann morgen. Alles klar? Nein, nichts dergleichen … Ja, bis dann.« Das Telefon in der Diele piepste, als es wieder in die Station auf dem Tisch gestellt wurde. Wenige Sekunden später kam Dad zurück ins Zimmer.
»Danke.« Das Wort war kaum mehr als ein Flüstern, aber es kam von Herzen.
»Ach, Dante«, seufzte Dad. »Ich hätte dich für klüger gehalten …«
Schweigen. Ich runzelte die Stirn, da ich ihm nicht folgen konnte. »Klüger als …?«
»Klüger als … du dich verhalten hast, Dante. Du müsstest doch wissen, dass Handlungen Folgen nach sich ziehen. Du müsstest klüger sein, als in deinem Alter mit einem Kind dazusitzen.«
Aber ich war nicht klüger, warum also ritt er weiter darauf herum?
Dad ging zu dem Buggy hinüber und holte sich die überdimensionale Tasche, die an den Griffen hing. Auf dem Sofa sitzend öffnete er sie und packte den Inhalt aus. Babymilch, ein Babyfläschchen, ein paar Wegwerfwindeln, ein Buch mit abgekauten Ecken, ein DIN-A-5-Umschlag vollgestopft mit Papieren, ein Babystrampler mit Druckknöpfen vorne, ein paar Feuchttücher in einer locker verknoteten Plastiktüte, ein Schnabelbecher, einige Gläschen Babynahrung. Dad zog aus dem Umschlag einen Stoß Papiere und blätterte sie mit finsterem Blick durch.
»Was ist das?«, fragte ich.
»Medizinische Unterlagen, wie es aussieht.« Er schob die Blätter zurück in den Umschlag. »Das kann warten. Ich muss nachdenken.«
Worüber wollte er denn nachdenken? Ich war doch derjenige, der bis zum Hals in der Scheiße steckte.
Dad hatte es mir wohl vom Gesicht abgelesen, denn er beantwortete die unausgesprochene Frage. »Über die Prioritäten, Dante. Wir müssen uns jetzt beide auf das Wesentliche konzentrieren.« Er seufzte tief. »Ich wünschte, deine Mutter wäre noch hier. In praktischen Dingen hatte sie mir einiges voraus.«
»Was für Prioritäten meinst du denn?«,
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