Braeutigame
Nacht? Wieso denn?“
„Jetzt m acht, was ich euch sag e , und beeilt euch. Keinen Ton will ich hören. Und kein Licht. Auf gar keinen Fall. “
Die Brüder fanden die Familie und Mischka in der Stube , in Straßenkleidung . Nur Lilli, Schlafkrümel in den Augen winkeln , trug noch ein weißes Nachthemd mit einem bestickten Kragen, das ihr eng am Hals saß und bis auf die Waden fiel. Sie hatten kein Licht gemacht und die Vorhänge zum Breiten Weg zugezogen. Der Vater hatte mit dem Gewehrlauf die Gardinen ein kleines Stück aufgeschoben und sah auf die Straße. Arthur quengelte an Oma Mathilde s H and.
Georg stand barfuß auf den Holzdielen, in Reithose und offenem Hemd. Er spürte, wie der Boden vibrierte . Lilli schlich r asch zur Vitrine , öffnete die Türen und hielt die klirrenden Gläser und Flaschen fest. Da – jetzt sah er draußen eine Bewegung hinter dem Schlitz in den Gardinen, einen wandernden Schatten – es kam ihm vor, als würde das Haus zu beben beginnen. Ein Erdstoß, dachte er. So fühlte es sich also an, wenn die Erde wackel te. Er sah an die Decke.
„Da sind sie“, flüste rte der Vater. „ Mitten in der Nacht.“
„Wer?“, fragte Jakob. „Was i st denn los?“
„Der Russe. Panzer und Kavallerie . Z wanzig oder dreißig Panzer . Am Ring sollen sie s ein. Sie haben geschossen, sagt Giese. In ein Haus haben sie wohl geschossen am Ring. Mehr weiß ich auch nicht.“
„Pfui“, sagte Georg. „Was wollen die denn hier? Russen ?“
„So et was hab e ich noch nicht gesehen“, sagte Freier , ohne sich umzudrehen . „Emil Giese mit seinen Händen hoch über dem Kopf, als wäre es ein Bankü berfall. Fast lachen hätt e ich gemusst... – wenn e s nicht so ernst gewesen wär e . Bleibt hier in der Stube. Ich gehe nach hinten raus.“
Daniel Freier bewegte sich im Dunkeln langsam durch das Haus: die Diele, das Zimmer der Jungen, die Durchgangskammer, Oma Mathilde s Altenteil. Er öffnete vorsichtig die Tür zur Sommerküche, sah niemanden im Hof und trat ohne Laterne ins Freie. Er sah auf den Boden vor sich, um mit den Füßen nichts umzuwerfen u nd Lärm zu machen.
Rosie riss mit der Kette an ihrer Hütte und bellte . Die Tiere im Dorf, von den Panzerketten geweckt, waren aufgeregt. Überall schlugen Hunde an, und vom Kogälnik her konnte Freier die Gänse schnattern hören. Er dachte an die Pferdetabon unten am Fluss – er wünschte, er könnte nach den Tie ren sehen. Sie würden wild sei n vor Angst. Aber es ging nicht, nicht jetzt. Irgendwo zum Ring hin rief jemand. Nebenan bei Leopoldine Stelter schlug eine Stalltür.
Freier hörte Pferdehufe vom Hintergarten her . Für einen Moment erwog er, noch einmal zum Kontor hinüberzulaufen und seine zweite Flinte aus dem Gewehrschrank zu holen, aber er hatte den Schlüssel im Haus gelassen.
Er war erleichtert, als er Emil Giese erkannte, der ihn mit der Hand grüßte und im Hof vom Pferd sprang, das er ohne Sattel ritt. Sein Hemd war in den Achseln und auf dem Rücken durchgeschwit zt, obwohl die Nachtl uft kühl war.
Giese war seit zwei Uhr früh auf den Beinen, als Ziegelmacher mit nackter Brust, eine Telegrafenmeldung a us Kischinjew in der Hand, an sein e Haustür geklopft hatte.
Giese hatte seine Familie aus dem Bett geholt und war mit seiner Frau Walburga und Ziegelmacher, nur in Hemd und H ose, barfuß in den Stiefeln, über den Ring gelaufen. Sie hatten Hellmuth Lobgott geweckt, und Samuel Trautmann von der Lehmkuhle , alarmiert von der Kulmer Kirchenglocke, die er gehört haben wollte, war ihnen wenig später über den Weg gehumpelt, eine Laterne in der Hand.
Emil Giese war ein Mann, der in der Kris e aufblühte. Er hatte seiner Frau, Ziegelmacher, d em Küsterlehrer und Trautmann in wenigen geflüsterten Sätzen die Lage erklärt und sie ausgeschickt, zwei ins Oberdorf, zwei ins Unterdorf, die einen an den Höfen der Nordseite entlang, die anderen an den Grundstücken gegenüber, die zum Kogälnik hin lagen. Von einem Haus zum ande ren sollten sie laufen, so leise es ging; auf Zehenspitzen schle ichen am besten und an jede Haustür klopfen, bis alle gewarnt waren. Sie sollten kein Licht mitneh men, kein Feuer machen, kein Geräusch.
Lobgott, Ziegelmacher und Walburga waren gefasst. Sie wussten, was er von ihnen erwartete, und mac hten sich auf den Weg, o hne weitere Worte zu verlieren.
Vom alten Trautmann war Giese enttäuscht. Der Müller roch aus dem Mund nach Schnaps, und alles an ihm schien zu zittern – die
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