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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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ist sicher?“
    „So sicher wie irgendwas. Sicher ist gar nichts in so einer Nacht.“ Er blies mit der Unterlippe Rauch nach oben und sah Freier mit zurückgelegtem Kopf an. „Weißt du, wie die Aktion heißt?“
    „Welche Aktion?“
    „Das ganze Spektakel. Dass der Russe nu n hier ist, und die Deutschen…“
    „Was haben die damit zu tun?“
    „Das ist alles ein abgekartete s Spiel. Heim ins Reich heißt e s. Alle Deutschen sollen heim ins Reich.“
    Freier sah ihn irritiert und ratlos an. „Und da?“
    „Das Volk mehren, Soldaten zeugen – was weiß ich? Kennst doch diesen Hitler. Das Deutschtum und überhaupt. Der möchte alle Schäfchen wieder bei sich haben. Die im Baltikum, an der Wolga, uns…“ Er zog die Nachricht aus der Hemdtasche, die Ziegelmacher in der N acht aus Kischinjew erhalten hatte. „Hier, lies, Freier. Das ist von der Volksdeutschen-Stelle im Reich. Hier unten, siehst, die haben das geschickt. VoMi.“
    „Was ist das?“
    „Volksdeutsche Mittelstelle . Hauptamt. “
    „Nie gehört.“
    „Ich auch nicht. Das ist nun alles russische Zone hier. Bis hin an den Pruth geht e s an die Bolschewiken.“
    „Und Rumänien?“
    „D ie sind doch Herrn Hitler ergeben. Verbündet. Da drüben dürfen die Deutschen alle bleiben, in Siebenbürgen und Ruthenien un d in der Walachei. Nur hier hat ab heute Stalin das Sagen. Wir sind wieder auf der russischen Seite.“
    „Nur dass es den Zaren nicht mehr gibt.“
    „So ist es. Es kann eine m Angst und Bange werden, Daniel .“
    Jakob kam vom Schweinepferch gelaufen, wo er über die Mauer zur Witwe Stelter und wieder zurück geklettert war. „Dreißig Panzer und noch mal so viele Lastwagen sollen am Ring stehen“, flüsterte er seinem Vater zu.
    „Wer sagt das?“
    „Frau Stelter h at es von Neumeisters eins weiter . Das ist vom Ring gekommen, sagt sie. Da steht einer Wac he – bei Chaim auf dem Boden oben. Sie beobachten und sagen weiter, was passiert. D amit es alle wissen.“
    „Gut“, sagte Giese. Er warf seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Er sah Freier an und schüttelte den Kopf.
    „Frau Stelter war schon wach“, sagte Jakob, „und hat von oben bis unten gezittert. Hände und Arme haben gewackelt, die konnte ihre n Schlüssel nicht halten. Sie hat d en Fen sterladen vorneraus zum Weg nicht zugekriegt.“
     
    Eine Stunde später, als die Sonne aufgegangen war, blieb ein Panzer mit knirschenden Ketten auf der Kreuzung von Breitem Weg und Kälber Drift stehen. Die Dachluke öffnete sich. Drei russische Soldaten kletterten aus der Kabine und suchten mit Feldstechern die Straßen ab . Sie sahen niemanden , der ihnen hätte gefährlich werden können . Nur ab und zu hastete eine dunkle, gebückt laufende Gestalt von einem Haus zum nächsten, ohne stehen zu bleiben oder sich umzusehen.
    Rosie stürzte bellend durch den Hof, als Georg sie von der Kette nahm, um sie ins Haus zu holen . Mischka versuchte, sie mit ausgebreiteten Armen aufzuhal ten, aber sie lief um ihn herum auf den Breiten Weg, auf den Panzer zu, kläffend, mit aufgestelltem Fell. Sie fletschte die Zähne, bellte, wollte kämpfen – dann eine Salve aus einem Maschinengewehr, trocken wie Furze, überraschend leise, Alma sah die Schüsse aus der Stube , gelbe, spitze Blitze, sie hörte sie nicht einmal. Rosie heulte auf und blieb auf der Seite liegen, vor der Spur einer Panzerkette. Alma sah die Hündin darunter verschwinden, abtauchen in die Erde. Ein Vorderbein zuckte einmal , bog sich nach oben , als der Panzer den Körper zermalmte. Die beiden Soldaten, die oben auf dem Panzer saßen und aßen, grinsten kauend . Einer von ihnen nahm sein Maschinengewehr und schoss eine Salve in die Luft. Lilli hie lt sich am Fenster in der Stube beide Hände und ihr Nachthemd v or den Mund.
    Mischka stand an der Hofei nfahrt hinter der Mauer . Vom Ring her sah er Gustav Schilling kommen, die Arme vor sich ausgestreckt. Er lief und l achte verrückt. Mischka verstand, was er mach te: Gustav tat so, als würde er um sich schießen, als hätte er ein Maschineng ewehr in der Hand. Fünfzig Schritte vor dem Panzer blieb er stehen und drückte sich die Handflächen auf die Ohren. „Hat er schon gehört?“, rief Gustav. „Hat er schon gehört? Wir woll e n euch nicht, wir woll e n euch nicht!“ Dann ging er langsam vor zu Rosie, vorsichtig nach dem Panzer schielend . Gustav beugte sich über sie, zugleich erschreckt und neugierig, und machte Anstalten, die tote Hündin

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