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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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Sie hatten nur ein Holzkreuz im Schneematsch aufgestellt . Es ging nicht anders.
    Connewitz. Er musste sich den Namen merken, für die Kinder.
    Wieviel Uhr es wohl war? Fünf schon durch, hoffentlich. Vielleicht sollte er aufstehen und vor allen anderen auf die Latrinen gehen, bevor sie zu besudelt waren? Es stank dort wie in einer Jauchegrube. Wurde es am Fenster hell?
    Nein. Noch nicht.
    Geduld, Freier, sagte er sich. Er würde noch auf das Anschalten der elektrischen Laternen im Hof warten, es konnte nicht mehr lange dauern. Dann würde er aufstehen, ein neuer Tag. Vielleicht würden sie endlich Nachricht bekommen, dass ihr neuer Hof fertig war. Er würde Emil Giese fragen.
     
    Der Bescheid kam mehrere Wochen später, in der ersten warmen Frühlingswoche . Nach Liebfelde würden sie zie hen, hieß es auf dem Umsiedlungsbefehl, den ihm ein VoMi-Offizier an einem Montagmorgen brachte. Liebfelde , Kreis Kosten, Warthegau, am Donnerstag ginge es los, man möge alles packen und für die Abfahrt bereithalten, Heil Hitler mit Ausrufezeichen.
    Daniel Freier ging sofort zur Landkarte, die mit roten Fähnchen in der Halle hing, und sah nach, wo ihr neuer Hof lag: nicht allzu weit jenseits der Oder, näher an Schlesien als an Hinterpommern. Die Fahrt würde acht oder zehn Stunden dauern, schätzte er. Er war zufrieden; ein Hof weiter im Osten, im G eneralgouvernement, wäre ihm wenig er recht gewesen. Liebfelde also. Noch ein Ort mit L.
    Freier ging die Bestandsliste durch, die ihm die VoMi ausgehändigt hatte, rechnete Morgen in Dessjatinen um, las, d ass er zwei Pferde, vier Säu e und Geflügel übernehmen würde. Das ist doch ein Anfang, dachte er. Er würde weniger Land haben als im Budschak, viel weniger, aber die Erde im Norden sollte dunkler und fruchtbarer sein. Ein Stall, eine Scheune, das Haus – es müsste gehen. Sie würden sich irgendwie einrichten . Ein Kalb und weitere Pferde oder Mulis würde er schon irgendwo auftreiben .
    Es wurde Zeit. In Leipzig hatte das warme Wetter die Bäume auf den Straßen sprießen lassen. Die Kronen der Kastanien und Linden leuchteten im Hellg rün der Triebe . Der Frühling war schön anzusehen, aber er machte ihn unruhig. Freier war froh, dass die Warterei in Gu tewerk ein Ende hatte, dass Saat noch rechtzeitig auf die Felder kommen würde. Die Schlafsäle hatten sich in den zurückliegenden Wochen bereits geleert. Die Hälfte der Pritschen blieb inzwischen unbenutzt, so dass sie, da mehr Platz für alle war, nach und nach ihr Hab und Gut aus den Lagers chuppen geholt hatten. Beil, Besteck und die guten Messer fehlten, sonst war , soweit er es sagen konnte, noch alles beisammen .
    Am Donnerstagmorgen standen sechs Lastwagen im Hof von Gutewerk. Vom Fluss war in der Nacht Nebel aufgezogen. Auf dem Feld hint er dem Lager ragten die Baumspitz en aus der milchigen , feuchten L uft. D ie Stämme blieben unsichtbar.
    Freiers, Heinrich, Prudöhl und Lobgott schafften Koffer und Hausrat aus den Sälen und verstauten alles auf den Ladeflächen. Ihre Fahrer waren S S-Männer aus der Neumark, die schon mehrfach in den Warthegau und wieder zurück gependelt waren – so oft, dass sie sich nicht die Mühe machten, sich mit Namen vorzustellen. Sie kannten sich untereinander, waren bestens gelaunt, lachten viel. Gut und zuverlässig sahen sie aus, fand Freier, in ihren sauberen, fri sch gebügelten Uniformen. Er war froh, dass sie beim Verladen mit anpackten, ohne dass er sie bitten musste.
    Gemeinsam mit Lobgott suchte er den VoMi-Beauftragten, um sich abzumelden. Sie fanden ihn in der Halle, wo er im Stehen eine Ta sse Kaffee trank und ein Stück Graub rot aß, ohne B utter oder Aufstrich. Freier wusste , dass Lobgott sich gut aus zu drücken wusste ; er ließ ihn reden. Dank im Namen der bessarabischen Leipziger ... der VoMi Dank... den jungen Männern Dank... dem Führer... Hilfe... Reich... Partei... Deutsche... ohne wäre nicht... Zukunft... Anfang... Land… Lebensraum... – e r verstand kaum die Hälfte von dem, was Lobgott ehrenrührig faselte , hörte nicht hin .
    „Meinetwegen“, sagte der Vo Mi-Mann. „Nun quatschen Sie nicht lange hier rum, Alter, sondern fahren Sie. Sind Sie mal Pastor gewesen?“ Er hielt entschuldigend seine Ta sse und das Brötchen hoch: Er kö nnte ihnen nicht die Hand reichen. „Und was die Polen angeht, lassen Sie sich nur nicht ins Bockshorn jagen. U ndankbares Pack, einer wie der andere. Greifen Sie hart durch.“
    „Welche Polen meint er?“,

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