Braeutigame
fragte Freier Lobgott, als sie in den Hof zu den Wagen gingen.
Lobgott wusste es nicht.
„Das versteh einer. Vielleicht hat e s da noch ein paar Verschlagene aus dem Gouvernement… Obwohl – es ist ja die Mitte des Reiches. Das Herz, wenn man so will. Wir sind jetzt in der Mitte. Gibt es da Polen?“
Emil und Walburga Giese winkten ihnen zum Abschied nach. Giese war Verbindungsmann der VoMi un d hatte dafür gesorgt, dass Freiers und Krafts zusammen fahren und im Wartheland nah beieinander wohnen würden. Lobgott, der niemanden hatte, gehörte nun auf dem Papier zur Familie. Auch Prudöhl hatte D aniel Freier auf seinem Umsiedlungs ausweis unter Adoptierte & S onstige Sippenangehörige eintragen lassen. Er war zwar ein Esser mehr, aber es konnte nicht schaden, dachte er, einen Arzt bei sich zu haben – einen studierten noch dazu, der in Odessa die Universität besucht hatte, nicht irgendeine Krauthexe wie die Zedel in d er Heimat. Prudöhl war klug und praktisch veranlagt. Der würde sic h nützlich machen können auf die eine oder andere Art.
Giese schenkte Freier zum Abschied einen Beutel Pfeifentabak, wo immer er ihn herhatte. „Wir haben eure Anschrift im Kosten-Kreis, Freier. Wenn wir wissen, wo wir selbst abgeblieben sind, schreibt meine Frau euch ein paar Zeilen, meine Walburga. Und du tu mir einen Gefallen: Schreib alles auf, was du von den anderen in Erfahrung bringst. Die Höfe, die Orte, wie sie zu finden sind, wer bei wem untergekomme n ist, wie e s wem ergeht. Dass wir uns nicht verlieren. Oder bitt e deine Mädchen, dass sie das aufschreiben . Einer muss es nur machen, sonst wird es nichts. Auf ein baldiges Wiedersehen, vielleicht noch in diesem Jahr, wer weiß es nun – werden wir d ann sehen, wie e s uns allen widerfahren ist und ob die Ernte rechtzeitig in die Scheune gekommen ist. Gott befohlen, Daniel, ja, Gott beholfen! Pass auf deine Kinder auf, dass die alle auf einen grünen Zweig kommen, hörst? Und noch was“, flüsterte er. „Gib den Fahrern bloß kein Geld. Die bezahlt die VoMi und nicht schlecht. Die be tteln immer, wenn sie euch abgesetzt und alles erledigt haben, und lügen tun sie wie die Türken – dass sie bezahlt werden müsste n, und ich weiß nicht, was s ie noch alles erzählen und erfinden. Das sind Lumpen, die euch ausnutzen wollen. Du darfs t überhaupt nicht hinhören . Auch nicht auf den SS-Mann von der Mittelstelle – den vom Hauptamt, weißt? Der fährt mit euch mit. Von der Partei geschickt. Gericke heißt eurer, ei n Junger, Mitte Ende zwanzig. E r macht einen anständigen Eindruck, aber gut stellen sollt e st du dich schon mit ihm , solange ihr noch nicht angekommen seid und die Stube geheizt habt. Danach ist e s egal. Hab e ich aber nie gesagt, weißt du Bescheid?“
Gericke stieg als letzter mit einer Brieftasche ein und nahm vorn, im ersten Lastwagen, neben dem Fahrer Platz. Sie fuhren sofort los, nach Osten, in Richtung Elbe, Oder, Warthe.
Alma fror, als sie aus den Leipzig er Vororten herausfuhren. Heinrich saß ihr gegenüber und hielt mehrere Taschen und Bündel fest, die neben ihm aufgestapelt waren. Sie lächelte ihn an, aber er sah nach vorne auf die Straße und bemerkte es nicht. Alma nahm Lillis Hand, die neben ihr saß und einen kleinen Koffer auf dem Schoß festhielt, in dem ihre Kleider, die alte Puppe, Stifte und Papier waren.
Als sie die Elbe erreichten und auf einer Bogenbr ücke aus Metall überquerten, klar te der Himmel auf . Die Sonne wärmte ihre Haut, und Alma zog ihre Fausth andschuhe aus, die sie in Gutewerk aus ungefärbter, öliger Wolle gestrickt hatte. Sie war froh, das Lager hinter sich zu lassen. Die Enge dort, das sächsische Essen, kaum ein Moment der Ruhe, in dem sie mit Heinrich allein sein konnte, wie es für junge Ehepaare normal war. Die deutschen Deutschen – es gab viel e nette. Aber andere waren so… befehlend, ganz anders als die daheim. Sie knallten ihre Stiefelhacken aneinander, dass selbst Emil Giese vor ihnen Respekt hatte. Und was für Stiefel das waren. Hoch bis unter die Knie, schw arz und glänzend wie lackiert .
Sie fragte sich, wie ihr neuer Hof sein würde. Seit Wochen hatten sie von wenig anderem geredet. In Polen lag ihr Land, hieß es – oder eigentlich in Deutschland, aber nach dem Großen Krieg hatten die Polen es sich genommen, obwohl es immer deuts ch gewesen war, seit J ahr hundert en. Jetzt, mit Hitler, war es wieder im Reich, wo es hingehörte. Alma verstand nicht genau, wie es sich
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