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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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Frauen, einen einzigen für die Männer. Sie gingen sich gemeinsam waschen, er, seine drei Söhne, Prudöhl, Lobgott; die Nacktheit war egal.
    Freier stopfte sich die Decke wieder unter den Rücken und starrte in die Dunkelheit, hin zum benachbarten Bett, in dem einer aus dem Unterdorf schlief, von dem er nicht einmal den Namen kannte. Der las den ganzen Tag lang – Bücher, Zeitungen, was immer er finden konnte. Wie ein ungebildeter Mann las er, den Zeigefinger auf dem Papier, mit Lippen, die sich bewegten, ohne einen Ton. Was er las, wusste Freier nicht. Es interessierte ihn auch nicht. Es m usste jeder die Zeit rumkriegen so gut es eben ging, bis das Leben irgendwann weiterlaufen würde.
    Von Leipzig nach Leipzig hatte die VoMi sie geholt – was für ein merkwürdiger Zufall in diesen merkwürdigen Zeiten, Leipzig hier, Leipzig dort. In Amerika sollte es auch einige von der Sorte geben, in Dakota, wohin so viele ausgewandert waren. Was aus denen geworden war, so weit weg …? Aber auch diejenigen, die im Budschak geblieben waren, hatten nun eine weite Reise gemacht. Es mussten an die zweitausend Werst sein, die sie zurückgelegt hatten. Ein langer Weg, weiß Gott.
    Freier sorgte sich um ihr Gepäck, das sie in einer Fabrikhalle einlagern mussten, einen Fußweg von zehn Minuten entfernt. Nachts würde n Gendarmen danach sehen, hatte der Diensthabende von der Mittelstelle erklärt, aber es kam Hausrat weg, immer wieder, bei vielen fehlte etwas. Freier trug seine wichtigen Papiere – die Landurkunden, das Geld, den Familienausweis – in einer Brieftasche, die Alma ihm auf die Innenseite seines Hemdes genäht hatte.
    Sein Bauch knurrte. Di e Blähungen hielten ihn wach, und er drehte sich um, von der linken auf die rechte Seite. Das Bett über ihm pendelte hin und her . Er hörte, wie sich seine Jungen im Schlaf bewegten ohne aufzuwachen.
    In den Warthegau würde es mit ihnen gehe n, hatten sie gesagt, eine Sippschaft nach der anderen, und jede Familie hatte mindestens einen Alleinstehenden aufzunehmen, jedenfalls für die ersten Monate der Ansiedlung.
    Er wusste nicht viel über das Wartheland. Der B oden sollte fett dort sein, der Regen ausreichend, das ganze Jahr hindurch, auch im Sommer, genug für Weizen, Hafer und Gerste. Wo er Saat, Pferde, Wagen, Geräte finden würde, war eine andere Frage . Sie wurden vertröstet. Die VoMi-Leute waren aus den Städten, aus Schlesien und La usitz, die verstanden nichts von Landwirtschaft. Er wünschte, sie wären schon dort, auf d em neuen Hof, auf dem sie zu tun hä tt en und morgens früh aufstehen kö nnten, um ein Tagwerk zu schaffen. Abwarten und Nichtstun waren nicht gut für den Geist, es machte einen schwach und ließ die Gedanken im Kreis gehen , und für Imkreisgehen war der Mensch nicht gemacht .
    Tagsüber hatten sie i hre Routinen in Gutewerk, nach dem Wecken mit der Klingel das Zurechtmachen und Putzen und Desinfizieren der Betten und Säle, das Essenkochen, Tischdecken und Abräumen. Aber es war doch nichts Richtiges, wenn Arbeit fehlte. Die jungen Männer hatten gleich nach der Ankunft in Sachsen das Kartenspielen begonnen – ihnen war langweilig. Dass es von da nicht mehr weit war bis T anz und Teufel… es ging eben nicht anders. Aber sie verlotterte n. Lebten schon wie Landstreicher . Kaum einer, der keine Flöhe hatte , sie konnten noch so viel pulen und sprühen, es störte die Viecher nicht . Manche Männer wurden irre und bösartig, weil sie so lange von ihren Frauen getrennt waren, vor allem die älteren. (In den Sälen der Frauen ging es, so weit er es sagen konnte, heiterer zu . Zwischen den Pritschen hingen Leinen mit gewaschener Wäsche, und alle Weiber und Mädchen schienen gleichzeitig das Stricken angefangen zu haben.)
    Niemand wusste, wie lange sie in Gutewerk bleiben würden. Ein paar Wochen, hatte es geheißen, für einige ein paar Monate – je nachdem, wann ihre neuen Hö fe und Häuser fertig wurden. Im Osten wurde fleißig gebaut und vorbereitet, sagten sie, das Feinste vom Feinen bekämen sie , im Warthegau sollte jede Bauernstelle ein Treibhaus haben für Feigen, Apfelsinen und die herrlichsten Früchte, alles aus Glas, geheizt mit Sonnenkraft . Das Herrichten ginge nicht schneller, sagten die VoMis, m an wäre nicht die Wohlfahrt , und Kraft durch Freude gäbe es nicht mehr, die laxen Zeiten wären vorbei. Wo käme das Reich hin, wenn alle in die Ferien führen?
    Freier ärgerte das: als hätten die Umsiedler irgendjemanden

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