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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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was im Bauch hast bei der Kälte. Du musst noch zurücklaufen. “
    Zehn Minuten später standen sie vor dem Kostener Bahnhof, einem Bau aus der Kaiserzeit.
    „Hier ist was l os“, sagte Alma. „Z wei Züge stehen schon da . Ist sicher der nach Posen dabei.“
    „Gehen wir rein. Drinnen können wir uns aufwärmen. Wir haben noch m ehr als eine halbe Stunde .“
     
    Sie verabschiedeten sich auf dem Bahnsteig . Alma nahm seine Hand; sie umarmte ihn. „Stell den Koffer noch ein mal hin“, flüsterte sie.
    Sie konnte den Kloß, der sich in ihrem Hals bildete, nicht hin unterschlucken. „Komm, küss mich noch einmal. Noch einmal.“
    Heinrich tat es. Sie schüttelte sich und weinte leise .
    „Hier“, sagte Heinrich schließlich. „Nimm den Handschuh. Wisch dir den Rotz von der Nase.“
    „Pass auf dich auf .“
    „Und du auf dich. Auf d einen Vater und die Kleinen auch.“
    Sie nickte „Und auf Lobgott und Prudöhl.“
    „Meinetwegen auch auf die.“
    Heinrich stieg ein. Sie sah ihn den Gang entlanggehen, sich beim Vorbeigehen an anderen Passagieren dünn machen. Er öffnete eine Abteiltür und verstaute den Koffer auf der Gepäckablage. Dann kam er in den Gang zurück, schob das Fenster herunter und steckte den Kopf heraus.
    „Bete für mich, Alma“, sagte er.
    „Jeden Morgen und jeden Abend.“
    „Und mach ke ine Dummheiten, Frau. Du musst auf mich warten, hörst du ?“
    „Ja“, sagte sie leis e. „Ich werde warten, bis du wiederkommst. Bis… wir wieder zusammen sind.“
    Sie sah zu Heinrich hoch, der sie anlächelte – anzulächeln versuchte. Dann entglitt ihm s ein Gesicht zu einer Grimasse . Er ließ den Kopf zur Seite sinken, unter die Scheibe, und hielt eine Hand vor die Augen.
    „Heinrich!“, rief Alma. „Was ist mit dir?“
    Ein Pf iff .
    Alma stand starr auf dem Bahnsteig. Sie hörte das laute Klappern der sich schließenden Waggontüren nicht. Der Zug setzte sich ächzend in Bewegung.
    Heinrich blickte auf, fand aber nicht d ie Kraft, ihr zuzulächeln .
    Sie winkte mit beiden Armen, mit den Wollhandschuhen, mit ihrer Mütze und der Brottüte, biss sich , ohne es zu merken, auf die Lippe.
    Der Zug fuhr aus dem Bahn hof, wurde kleiner und kleiner.
    Ein grauer Fleck.
    Rauch am Horizont.
    Und dann nur: Stille.

 
     
    Liebfelde , Kr. Kosten, 27. März 1942
     
    Mein Heinrich,
     
    wann ist dieser Krieg nur gewonnen? Sie haben gesagt, der Endsieg ist bald erreicht, wir sin d stark, haben sie gesagt. Er lässt länger auf sich warten, als wir gedacht haben. – Komm bitte bald zurück zu mir. Ich zähle die Tage, jeden Tag. Ich hätte gedacht, das s es besser werden würde, aber D u fehlst mir sehr. Nun weiß ich, was es mit der Liebe auf sich hat. Viel besser weiß ich es als damals in Leipzig. Das Gefühl wächst in einem , so kommt es mir vor. Es legt sich nicht zur Ruhe.
    Vater, Minna, die Geschwi ster vermissen dich auch. Dass D u es weißt. Von Georg haben wir nichts gehört . Aber solange nichts kommt – kein Schreiben von den offiziellen Stellen –, solange müssen wir uns nicht sorgen, sagt Vater.
    Ich schreibe D ir, auc h wenn ich noch nicht weiß, wo D u bist, wo ich meine Briefe hinschicken kann. Vom Amt haben wir nichts erhalten . Ich werde schreiben und alles zur Feldpost bringen, wenn ich Nachricht habe. Dann wirst D u mehrere Briefe auf einmal erhalten, es lässt sich nicht ändern. Besser so als gar nichts.
    Ich sitze auf dem Bett in der Kammer. Das Wetter ist milder geworde n. Die Hühner marschieren durch den Hof und picken, was sie finden können. Eben habe ich an Deinem Hemd gerochen. Ich habe es nicht gewaschen, nachdem Du gefahren bist. Es ist nur ein Hauch von Dir, aber das ist doch etwas, das Wenige, was ich in diesen Wochen von Dir habe. Die Decke , mit der ich schlafe, hat Deinen Geruch .
    Ich fühle mich immer noch wie in der Fremde hier. Die Pole n, die hier sind, würden uns ins Gesicht spucken, wenn sie dürften. Man kann Ihnen… Aber Du weißt, wie es ist. Ich weiß nicht, w as ich Dir alles schreiben soll oder kann. Lobgott sagt, ich muss mich beim Schreiben besinnen. Weil Krieg ist, sagt er. Du verstehst mich sicher.
    Ich habe solches He imweh . So nennt man es wohl, wenn einem die Heimat fehlt. Dem Vater geht es nicht anders, vielleicht ist es mit ihm noch ärger. Er spricht nicht viel – hat nie viel gesprochen, Du kennst ihn ja. Aber er brütet manchmal und zählt die Saat säcke und rechnet und sorgt sich. Eine Heimat haben wir verloren, nun haben

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