Braeutigame
bauen meinetwegen, vielleicht aus Zieg elsteinen . Du hast ja geschickte Hände. Die Wände und Dächer sind nicht dicht, und wo wir dicke Decken hernehmen sollen… Das Federvieh ma cht sich gut, aber es wird nicht reichen können für zehn, selbst wenn Georg alle Wälder Preußens leerschießt.“
Freier tröstete sich damit, d ass der Sommeranfang noch bevor stand, dass mehrere Monate bis zu den ersten kalten Herbsttagen blieben und einige weitere Wochen bis zum Frost. Es schien ihm nutzlos, sich vor der Zeit zu sorgen, solange sie taten, was sie konnten. Die ersten Wochen in Liebfelde mochten schwierig sein, aber Daniel Freier blühte auf. Sie hatten wieder ein Dach über dem Kopf, wenngleich eines, das für schönes Wetter gemacht war, aber vor allem hatten sie zu tun. Kein Warten mehr, kein Brüten wie in Gutewerk, kein Wachliegen in der Nacht. Er arbeitete, und seine Kinder wurden von Tag zu Tag tüchtiger, selbst die kleinen. Es war gut, dachte er, dass sie Heinrich hatten.
Im Juni ritt Georg nach Liebfelde , um Kaninchen zu verkaufen und sich auf dem Amt nach Neuigkeiten umzuhören: Es hieß, dass Aussiedler im Wartheland von der VoMi Weizensaat, Mehl und Butter erhalten sollten. Er wollte auf dem Markt die Preise für Lämmer herausfinden und von dem Geld, dass Prudöhl ihm gegeben hatte, Palerbsen kaufen.
Als er am späten Nachmittag zurückkehrte, suchte er ohne abzusteigen seinen Vater. Er sah ihn mit Lobgott , einen Spaten in der Hand, bei den Bienenstöcken stehen und galoppierte über die Wiese zu ihnen.
„Der linke ist innendrin nass geworden“, sagte Lobgott, als Georg vom Pferd sprang, das er ohne Sattel ritt, mit einer Decke auf dem Rücken. „Nicht gut, nicht gut.“ Er rieb sich den Schnurrbart, den er sich hatte wachsen lassen, mit den Fing ern. „Nass ist so gut wie tot. Das m ögen die Tierchen nicht.“
„Wir haben Russland angegriffen “, rief Georg.
„Hmm !?“, machte Lobgott und drehte sich neugierig zu ihm um .
„Sagen sie auf dem Amt. Vorgestern. Die Deutschen marschieren nach Osten.“
„Nu n das noch “, sagte Freier. „Hatten sich die Welt doch erst zurechtgelegt…“
„Hat nicht lange gehalten, die Freundschaft“, sagte Georg. „Und deswegen der g anze Zirkus – weg aus Leipzig. Alles wegen der Russen.“
Lobgott hob vorsichtig den Holzdeckel des feuchten Bienenkorbs ab. „Dann kann der Deutsche es endlich dem Russen zeigen“, sagte er ohne aufzusehen. „Zeit wird es . Die geraten außer Rand und Band sonst.“
„Aber im Westen ist auch Krieg“ , sagte Freier. „Bei den Franzosen.“
„Ist wohl ruhiger da geworden “, sagte Georg. „Die Beamten sind fröhlic h. Ein Jahr, mein en sie, dann soll das erste Land dort verteilt werden.“
„Wo sollen die Deutschen sonst auch alle leben ? “, sagte Lobgott. „So vi ele, wie hin und her ziehen. Unser Volk braucht Land. Gutes , fruchtbares Land.“
„Russland ist ein riesiges Land“, sagte Freier. „Denk daran , wie es dem Schweden und de m Franzosen ergangen ist, als sie rein sind. Zurückkriechen mussten sie – die paar Hanseln, die am Schluss übrig waren. Mit Russland ist nicht zu spaßen.“
„Hast doch die Jungen gesehen, wie sie in den Budschak gekommen sind. Achtzehnjährige, Neunzehnjährige. Das soll eine Armee sein, vor der sich das Reich fürchten müsste? Ich glaube nicht. Spähpanzer und Halbwüchsige, die grün sind hinter den Ohren. Das kann nichts werden. Soll mir niemand erzählen, die Bolschewist en seien ein hartes Volk. Kinder sind das. Wirre Kinder. – Autsch…!! Nun hat sie mich erwischt , das Viech…“
„Gehen wir dann zurück nach Bessarabien ?“, fragte Georg. Er sah seinen Vater an.
„Ich weiß es nicht“, sagte Freier. „Sicher nicht vor Winterende.“
Die beiden Briefe kamen am gleichen Tag, kurz nach Neujahr. Heinrich und Georg erhielten Befehl, mit dem Zug nach Posen zu fahren und sich von dort zum Truppenübungsplatz Warthelager zu begeben.
„ Dienst für das Vaterland... Verteidigung des Reich e s ... gez eichnet... Punkt... ba ba b a…“ Heinrich blickte auf. Alma, die in der Stube auf einem Stuhl neben dem Ofen saß und alte, vom Lagern weich und schrumpelig gewordene Kartoffeln schälte, sah ihn an. Eine Spirale, halb braun, halb gelb, klebte zwischen ihren Fingern.
„Scheiße“, sagte Heinrich leise.
„Red e nicht so. Bitte nicht.“
„Der andere hier ist für Herrn Georg Freier, geboren 1924, 3. April, in Leipzig,
Weitere Kostenlose Bücher