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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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tall. Sie öffnete die Truhe in ihrer Schlafkammer und sah Heinrichs Sachen – Hemden, Schuhe, Socken, seinen schimmeligen Sommerhut – und zwang sich, sie liegen zu lassen, sich abzuwenden. We nn er wiederkäme, hoffte sie , würde er sich darum kümmern. Es ging nicht anders. Sie vergewisserte sich, dass ihre Briefe an ihn in der staubigen Nische hinter dem Holzbalken steckten, ging vor die Tür und schloss die Kammer ab. Sie steckte den Schlüssel ein. Wie lange sie wegble iben würden, wusste sie nicht. E in paar Wochen, zwei Monate vielleicht. Bis dieser Krieg vorbei war oder wenigstens die Rote Armee wieder weg. Sie durfte nicht ve rgessen, den Vater zu erinnern: Er musste alles gut abschließen und das große S chlüssel bund mitnehmen.
     
    In Schmiegel , zwei Stunden Fußmarsch entfernt, herrschte Panik: Der gesamte Ort war in den Abendstunden auf den Beinen, bereitete in größter Eile die Abfahrt vor. Vor den Häusern luden Frauen und Kinder Möbel, Koffer und Bettzeug auf Wagen. Pferde und Maultiere standen eingezäumt auf den Straßen und wieherten, weil sie müde waren und zu dieser Zeit gewö hnlich in ihren Ställen standen .
    Die Mädchen waren durchgefroren und erschöpft, so dass Daniel Freier entschied, dass sie nur noch eine Stunde weitergehen würden und sich westlich von Schmiegel ein Dach über dem Kopf suchen und dort einige Stunden schlafen würden.
    „Hö r mal, Alma“, sagte er , als sie nach elf in einem Kuhstall im Obrab ruch mit fünfzig oder sechzig anderen zusammensaßen und Tee tranken, müde und doch nicht in der Lage zu schlafe n. „Wir gehen noch mit euch mit bis an die Oder… bis nach Kolzig vielleicht oder bis Grünberg, müssen wir sehen, wie gut es geht bis dahin bei dem Wetter. Dann seid ihr sicher, und wir… Lobgott, Prudöhl und ich, meine ich… dann melden wir uns.“
    „Die Heimat verteidigen“, sagte Lobgott stolz .
    „ Welche Heimat?“, fragte Minna und hustete. Sie fröstelte und wärmte ihre Hä nde an einem ihrer beiden Teebecher .
    „ Welche Heimat , fragt sie – unsere natürlich!“, sagte Lobgott. „Unser Reich. Wir graben Gräben und bauen die Schanze… – was weiß ich!? Dafü r ist der Volkssturm da. Um den Russen aufzuhalten. Wir gehen ins Aufgebot, wir alte, erfahrene Hasen.“
    „Du liebe Güte, Herr Lobgott“, sagte Alma. „Ihr seid… – wie alt sind Sie jetzt? Mitte fünfzig? Und Vater auch fast . Dem pfeift seit Wochen die Lunge. Was wollt ihr in der Armee? Die haben gerade auf euch gewartet.“
    „Das mag so sein, meine liebe Alma. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Man kann denen… diesen Hunnen doch nicht das gute Land einfach üb erlassen. Verbrennen würden sie e s nur… – alles anzünden , eine neue Wüste machen, wie in ihren Sümpfen, das Bolschewikenpack. Aufs Alter darf man in so einer Lage keine Rücksicht nehmen, nein, nein. Werden wir sehen, wo unser Aufgebot hinzieht. Vielleicht schlagen wir uns nach Schlesien durch, ins schöne Breslau , oder auf die Schneekoppe . Jaha, über die Felder, durch den Wald. In Breslau ist der Russe noch lange nicht, das ist die Trutz der Schlesier. Da wird alles zusammengezogen, zur Verteidigung.“
    „Vater , Ihr könnt uns nicht alleine lassen“, sagte Alma. „Wo sollen wir denn hin?“
    „Ich tu e s nicht gern“, sagte Freier. „Aber wenn Krieg ist und der Russe kommt… Für lange wird e s nicht sein. Nur bis der Russe zurückgeschlagen ist. Jakob geht mit euch mit und passt auf. Er ist alt genug und vernünftig geworden, wir haben darüber gesprochen. Vielleicht steht es um Grünberg und Guben besser. Geht ruhig zu den Behörden dort. Die werden euch helfen.“
    „Küsterlehrer Lobgott hat in seinem ganzen Leben noch kein Gewehr in der H and gehabt“, sagte Minna .
    Jakob lachte.
    „Pah!“, rief Lobgott. „Dann werden wir das Schießen eben lernen müssen. Es ist nie zu spät zum Lernen. Wir können den Russen doch nicht einfach wüten lassen wie eine Bestie. Nicht mit mir. Solange ich lebe, werde ich das nicht zulassen. Wartet ihr mal ab, Mädchen, eine Woche noch, und dann sind wir, so der Allmächtige will, vereidigt. Waffen werden sie uns geben und die Uniform, und dann geht es los, ran – an – den – Feind, mitten rein ins Getümmel. Es war nicht umsonst, dass meine Mutter ihren einzigen Sohn Hellmuth genannt hat. Mut mit h un d Gott mit Lob, ha! Ran an den Feind, sag e ich!“
    „Ich lass e euch die Medikamente da“, sagte Prudöhl. „Wir haben

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