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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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noch einiges… – Schmerzmittel und Verbandszeug, falls es gebraucht wird. Das Morphin gebe ich euch auch zur Hälfte, drei oder vier Spritz en. Aber da mit müsst ihr vorsichtig sein. Das ist nur für wirkliche Notfälle .“
    Er zeigt e Alma zwei Ampullen aus braunem Glas.
    „Wofür ist das gut?“, fragte sie. „Das ist giftig – hier, das ist ein Totenkopf.“
    Prudöhl nickte. „Das stimmt. Gift, ja. Sehr giftiges Gift. Blausäure. “
    „Das will ich nicht. Was sollen wir damit?“
    „Nimm es, Kind. Keiner weiß, was kommt. Weißt du , wie man damit umgeht?“
    Sie schüttelte den Kopf.
    „Die legst du dir… ich meine, die legt man sich in den Mund , wenn es so weit gekommen ist mit einem . Zwischen die Zähne. Und dann schlägst du einmal fest von unten aufs Kinn, dass das Glas zerbricht.“
    „Und dann?“
    „Dann dauert es nicht lange. Man stirbt sofort. Ein Mensch, ein Pferd auch – alles, was kreucht und fleucht. Nimm es einfach und stell keine Fragen. Gebe Gott, dass es niemand auf Erden braucht. Nur gut verstecken musst du die Fläschchen, dass sie dir keiner nehmen kann und sie nicht in die falschen Hände geraten und Schaden anrichten. Tu sie hin, wo nur du sie findest. Am bes ten, du trägst sie immer bei dir , in deinen Sachen. Aber gut eingewickelt – nicht dass es Dir zerbricht und auf die Haut kommt. “
    Er legte Alma zwei Ampullen auf die Hand und schloss ihre Finger darüber.
    „Du bist die Älteste“, sagte er.
     
    Je näher sie der Oder kamen, dest o mehr froren sie. D er Wind fegte über das flache Land östlich des Flusses , schlug ihnen in die Gesichter und stahl die Wärme aus den Kleidern.
    In Wollstein bemerkte Prudöhl hinter einem Planwagen eine rundlich e, vornüber in den Wind gebeugte Frau. Sie hatte ihre Haare unter ein str aff gespanntes T uch gesteckt, einen dicken Schal um Kopf und Hals gebunden und den Blick auf den Boden vor sich gerichtet. Sie wankte beim Gehen mit den Hüften langsam von links nach rechts und wieder zurück , ein Lied mehr brummend als singend.
    Zuerst war Prudöhl sich nicht sicher, beim zweiten Hinsehen erkannte er sie jedoch: die widerspenstige Hebamme Irma Schilling .
    Sie war mit einer Nachba rin eine Woche zuvor aus ihrem W arthe länder Dorf aufgebrochen. Mohnhagen hieß das Kaff , erzählte sie, und hatte kaum dreißig Höfe, und nicht ein einziger so schön wie ihr altes Haus im Leipziger Unterdorf, in dem sie m it ihrem Jungen gelebt hatte . Nein, ob sie noch einmal zurückginge in dieses Polendorf , das könnte sie nicht sagen. Es kamen überall m ehr Kinder auf die Welt als in Mohnhagen , u nd was sollte sie anderes machen ? Sie konnte nur das eine – Kindchen auf die Welt ziehen. Sie schien nicht im Geringsten erstaunt zu sein, Prudöhl auf der Landst raße zu treffen.
    Gott, was das Weib gleich wieder rede n muss, dachte er. Der läuft noch bei diesem Sauwetter das Herz über.
    Die Freiers fielen Frau Schilling um den Hals. Minna heulte vor Überraschung und Freude. Selbst Jakob, der sich als junger Mann keine Gefühle anmerken lassen wollte, umarmte sie, und sein Vater zündete sich seine drittletzte Zigarette an, aus der in der Jackentasche der halbe Tabak herausgerieselt war.
    Die Na chbarin stand hinter Irma Schilling am Straßenrand und verfolg te die Umarmungen mit höflich em, abwartendem Lächeln.
    „Nun lasst es gut sein, Mäd chen…“, sagte Frau Schilling, „ gut jetzt, es ist ja gut! Lilli! Du ziehst mir das Tuch… I ch werd ’ dir…!“
    Lilli kicherte und nickte der Nachbarin zu, die sie freundlich ansah.
    „Hier“, sagte Frau Schilling, „schaut einmal, das ist meine Freundin Hilde . Hilde Glück. Eigentlich nur eine… Reisebekanntschaft, möchte ich sagen, denn im Ort kannten wir uns noch nicht richtig, nur vom Sehen eigentlich, auf dem kleinen Markt, den sie da haben. Aber wenn man so ein weites Stück Weg g egangen ist wie wir, immer brav nebeneinander wie die Stuten beim Wagenziehen, und zus ammen eine so schöne Flucht hinleg t, dann darf man sich wohl auch Freundin nennen – oder wie siehst du das, Hildchen? Sind wir nun Freundinnen geworden?“
    Frau Glück achtete nicht auf sie, sondern lächelte nur breit, gab jedem zur Begrüßung die Hand und versuchte, sich die vielen neuen Namen zu merken, die durcheinander gerufen wurden.
    “Na, nun guck en Sie mal nicht so”, sagte sie zu Lobgott, als sie sich vorgestellt hatte. „Stört Sie was an mir ?“
    „Aber nein, liebe Frau“, sagte

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