Braeutigame
heißem Kamillentee und Honig gegeben, löffelweis e. Die Medizin schien kaum zu helfen, aber es war alles, was sie tun konnte. Sie wünschte, sie hätte mehr Milch.
Ihr Vater und Lobgott waren gereizt, als sie schweigend in der Küchenstube aßen und das Kind nicht aufhörte zu schreien. Sie standen so schnell wie möglich vom Tisch auf und machten sich, wie sie es einmal wöchentlich taten, zu Fuß auf den Weg nach Liebfelde .
Sie waren binnen einer Stunde zurück und liefen das letzte Stück des Feldwegs, das auf den Hof führte, durch den nassen, überfrierenden Schnee. In Liebfelde hätten alle ihre Wagen gepackt, rief der Vater Prudöhl und den Kindern zu; viele seien längst auf dem Weg zur Oder, und die anderen, die Letzten, Langsamsten, stünden zur Abfahrt bereit. Der Russe würde in Kürze bei ihnen sein, heute noch, morgen vielleicht, hoffentlich erst morgen, niemand wusste es genau, aber es wäre auch egal: Sie müssten weg, jetzt, sofort.
„Alma! Minna, Jakob! Nu n steht nicht rum wie die Orgelpfeifen in der Kirche. In spätestens drei Stunden ziehen wir hier ab.“
„Aber…“, sagte Minna.
„Kein aber“, rief Freier. „Red jetzt nicht rum, Mädchen, sondern gehorch endlich einmal. Keine Widerrede, hörst du mich? Geh und pack deine Tasche!“
„Aber was ist denn überhaupt? Es geht nicht ein mal die Sirene…“
„Halt den Mund, Minna, und mach, was ich dir sage! Für die Sirene hat keiner Zeit.“
„Was ist mit den Tieren?“, fragte Jakob.
„Die müssen sehen, wo sie bleiben. Es h ilft nichts. Stell ihnen einfach alles hin, was da ist. Holt e ure Taschen – Alma, du nimmst deine Ilse, und du hilfst Alma, Lilli! Hopp, hopp, hopp! Holt aus der Küche, wofür wir Platz haben. Lobgott, der Karren, der aus Holz der… such den und zieh ihn in den Hof vor die Tür und mach ihn fertig, da können wir das Nötigste rauftun. Es zieht sich einfacher als es sich trägt, auch wenn Schnee liegt. Und dann nimmst du die Leiter und steigst aufs Dach und stülpst einen Eimer auf den Schornstein, dass uns drinnen nicht alles feucht ist und voll er Ungeziefer, wenn wir zurückkommen.“
„Was ist mit dem Pferd ?“, rief Jakob. „Nehmen wir nicht den Erntewagen?“
„Das bringt nichts, Junge. Ein offener Wagen, bei dem Wetter… und m an kann nicht drauf sitzen. Das Tier – nein, wir haben nich t genug für alle, und es ist so alt, da ist e s hinüber, bevor wir in Schmiegel ankommen, und wir müssen den Wagen zurücklassen. Hörst ja, wie es schnaubt und rasselt, ganz ohne dass es Gewicht ziehen muss. – Und P rudöhl… was macht der…? Lauf zu ihm, Jakob, und sag ihm er soll alles mitnehmen, was er hat.“
„All sein Zeug ?“
„Die Medizin. Seine braune Tasche mit dem Ärztekrempel, das kann nicht sc haden, wer weiß, was kommt...? Lauf los, steh nicht rum... Und wofür kein Platz ist, das bringen wir rasch hinten ins Wäldchen und legen Geäst darauf – die guten Sachen nur. Dass uns keiner aus plündert.“
Alma lief in die Küche, wo sie zusammen mit Lilli Lebensmittel in Tücher wickelte und einpackte: Speck, Brot und Schmalz, Nüsse, Bucheckern, getrocknete Pilze, allen Zucker und Tee, den sie im Haus hatten.
„Den Ziegen leder beutel lass hier, Lilli“, sagte Alma. „An Wass er wird e s nicht fehlen , so lange Schnee liegt. Oder – nimm den Beutel und füll d en Zucker rein. Da ist er trocken und verdirbt uns nicht.“
Sie ging in die gute Kammer, in der Minna ihren Koffer auf dem Bett zu schließen versuchte.
„Willst du das alles tragen?“, fragte Alma.
„Wenn es mir zu schwer wird, tu ich e s eben weg. Besser, als es hier zu lassen. Ich leg e den Koffer auf den Karren.“
Alma hörte ihr kaum zu. Sie stieg, ohne die Stiefel auszuziehen, auf Lillis Bett, nahm die große Land karte von der Wand und riss mit den Fingern das Packpapier auf dem Rücken des Rahmens auf. D as Glas zersprang und fiel in langen, spitzen Scherben klirrend auf Lillis Decke.
„Was machst du , Alma ?“, rief Minna. „Du hast es kaputt gemacht! Das schöne Bett!“
„Na und? Siehst doch, dass ich die Karte raushole. Oder kennst du den Weg?“
„Wohin?“
Alma schloss die Augen. „Pack deine Sachen, und dann zieh dich warm an – den Schal, deine Wollmütze und die dicken Handschuhe, dass dir unterwegs nichts abfriert.“
Sie faltete die Karte und steckte sie in ihre Manteltasche.
Ilse schrie nebenan in der Küche. Niemand kümmerte sich um sie.
Alma lief durch den Hof in den S
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