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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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und macht sich damit nicht beliebt bei den Leuten. Ich kann es ihr nicht verdenken, aber es ist nicht klug, meine ich. Am Anfang saß sie nur auf der Bettstatt – „was soll ich nur machen, was soll ich nur machen?“ , ging es in einem fort. Nein, sie ist keine Hilfe.
    Wir haben ein paar Steckrüben und Zuckerrüben von den Feldern geholt, die sie im Herbst vergessen hatten, da hockten wir den ganzen Tag auf den bloßen Knien .
    Minna spricht, seit wir hierher gekommen sind, kaum ein Wort . Sie ist fünfundzwanzig und ohne Mann, und si e sieht verwelkt aus vor ihrer Zeit. I hr zieht das Gesunde, Blühende noch schneller aus dem Leib als den anderen Frauen, die Kinder auf die Welt gebracht haben. Blass ist sie & mit dunklen Ringen um die Augen & und im Schlaf schnarcht sie wie ein Mann, wegen ihres Lochs. Sie grämt sich, glaube ich, weil wir doch etwas Besseres sind als nur Gesinde, und nun soll sie Knollen aus der Erde wühlen mit den bloßen Fingern in der Winterkälte. Sie hat ihren Koffer nur halb ausgepackt, immer bereit zum nächsten Aufbruch nach wer weiß wohin  & sie sagt, sie wartet darauf, dass die Politik endlich ein Machtwort spricht. Also dass wir zurück auf den Hof können, ins Wartheland, wo wir hingehören – oder zu mindestens gehörten, ich weiß es selbst nicht. Minna fand es da nicht schön, Gott bewahre, aber sie will so schnell wie möglich wieder zurück. Heute Mittag br achte sie ein Hilfspaket aus Hielingsdorf mit, der nächste Ort von hier, nur ein e oder zwei Werst entfernt. Da blieb sie ernst, verzog keine Miene und freute sich kein bisschen, obwohl es allen Grund dazu gab . Dafür strahlten Lilli und ich um die Wette, als wir die Schachtel sahen. Die Amerikaner schicken Pakete ins Reich. In God We Trust haben sie in roter Farbe auf die Seiten geschrieben. Es heißt „Wir trauen auf Gott“, sie sind gottesfürchtig dort & gute Menschen oder doch nicht alle schlecht, sie waren im Krieg ja auf der anderen Seite und haben auch viele auf dem Gewissen. Wir haben nun für eine Woche lang ein Fest. Zucker ist dabei, Ke ksgebäck (ganz zerkrümelt, es hat sicher eine lange Reise hinter sich), ein hartes weißes Fett, das ich nicht kenne, Popschamehl und sog ar eine kleine Papiertüte mit 54 echten Kaffeebohnen. Wir haben sie gezählt, so sehr haben wir uns gefreut.
    Zu Weihnachten habe ich Lilli wieder das Stricken beigebracht. Sie konnte es schon, hatte aber einiges wieder vergessen, und jetzt ist sie am Spinnen und Stricken. Sie h at sich Wollreste zusammengeklaub t von den Bauern stellen . Einen jungen Verehrer hat sie auch gefunden, hier im Ort, einen aus Hinterpommern , der bei Kriegsende in Dänemark im Lazarett war. Sie redet nicht darüber. W enn sie mit ihm auf der Straße zusammensteht, tänzelt sie von einem Fuß auf den anderen, und sie kämmt sich die Haare, als wäre immer Sonntag. Na, sie ist ein schönes Ding, das muss man ihr lassen.

 
     
    Der Tag, an dem Alma Konrad Lampe traf, begann und endete mit Tränen. Sie hatte in der Nacht von Heinrich geträumt. Der Gedanke, dass er noch immer verschollen war, ließ sie am Morgen für eine Viertelstunde starr auf dem Rücken l iegen, und sie weinte still, bevor sie aufstand.
    Sie übergab Theo ihren Schwestern und machte sich auf den Weg nach Hamburg. Sie ging zu Fuß zum Bahnhof, wo sie mehr als zwei Stunde n auf d en nächsten Zug warte te, der i n die Stadt fuhr, nicht auf direktem Weg, sondern in großem Bogen durch den Ostteil, über Billstedt.
    Das halbe Dach des Hamburger Hauptbahnhofs fehlte. Auf verbogenen und gerissenen Stahlträgern klettert en Arbeiter mit Schiffstauen um den Bauch herum , die schwarzes Metall auseinanderschweißten. Auf Steintordamm und Kirchenalle e standen Nissenhütten in langen Reihe n , provisorische Behördenstellen, Notunterkünfte. Auf dem Bahnhofsvorplatz roch es nach brennendem Holz, ein angenehmer Geruch, fan d sie . Hinter den glänzenden Wellblechdächern der Hütten ragten die Ruinen mehrerer Hotels in den Himmel wie verfaulte Zähne, gebor stene Mauern mit Rissen und Granatenkrat ern. Wenn sie sich nicht gegenseitig stützen würden, dachte sie, würde der Rest auch noch einstürzen.
    Sie ging durch die Menschentrauben auf dem Platz. Fliegende Händler verkauften gebackene Kartoffeln und geröstete Kastanien, einer bot Räucherschinken in kleinen Würfeln feil, „erstklassige Ware, erstklassige Ware!“ rief er , ohne Luft zu holen, „aus der Lüneburger Heide! Erstklassige

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