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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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meinen Sie denn?“
    „Liebes, nun tun Sie nicht so scheinheilig, als wüssten Sie nicht, was Sache ist. Ob die Flüchtlinge wirklich alle Deutsche sind, werden wir noch sehen, wenn hier erst einmal wieder Ordnung herrscht. Arbeiten hab e ich die jedenfalls noch nicht gesehen. Immer nur betteln, mehr von diesem, mehr von jenem, als würden wir hier im Schlaraffenland leben. Sind Sie krank?“
    „Ich? Ich hoffe nicht. Ich glaube nicht. Warum?“
    „Müssen wir nach fragen, so viel Ungeziefer wie die Fremden hierher bringen aus ihren Wäldern. Und Krankheiten. Wir haben schon den Typhus in der Stadt und Diphterie unten in den Hafenbezirken. Es fehlt nicht mehr viel, und die Cholera kommt wieder , wie vor fünfzig Jahren. Was glauben Sie, wie die Bazillen in die Stadt gekommen sind? Von den Engländern etwa ? Name?“
    „Ä h .. . Alma Kraft. Geborene Freier. Aus Leipzig, Bessarabien.“
    „Ich denke, Sie sind aus dem W arthegau? Was denn nun, meine Hübsche ?“
    „Zuletzt, ja. Aber geboren bin ich in Bessarabien.“
    Die Frau tippte.
    „Religion?“
    „Was meinen Sie?“
    „E rzählen Sie mir bitte nicht, dass Sie nicht an Gott glauben. Wissen Sie, wo Sie sind?“
    „Sicher. Sicher glaube ich an Gott.“
    „Erst seit heute oder schon länger?“
    „Ich… ich bin getauft und konfirmiert. Mein ganzes Leben. “
    „Aha. Katholisch oder evangelisch – oder eine von den osteuropäischen Gruppen? Vie le von denen sind ja nicht wirkliche Christen.“
    „Lutherisch. Das ist dann evangelisch.“
    „Das weiß ich auch. Wir sind in Hamburg protestantisch, die meisten. Können Sie hoffentlich auch das Vaterunser.“
    Alma nickte. „Ja. Natürlich.“
    „Name, den Sie suchen?“
    „Heinrich Kraft. Mein Mann… Ich suche meinen Mann. Heinrich Egon Kraft. Geboren ist Heinrich am 2. Februar 1919.“
    „Und wo war er, als sie das letzte Mal von ihm gehört haben?“
    „Im Osten. An der Front.“
    „Ein bisschen genauer haben Sie e s nicht? So eine Ostfront ist ein ziemlich großes Gerät, wissen Sie.“
    „Die letzten Briefe, die ich geschickt habe…“
    „N a?“
    „Nach Wilna habe ich sie geschickt, mit der Feldpost. Wilna in Litauen.“
    „Mm – mm – mm . Da ist schon lang kein Krieg mehr. Wann war das? Dass Sie Post bekommen haben?“
    „Vor... zwei Jahren. Zweieinhalb.“
    „Ach, liebe Frau... Dann kann Ihr Mann überall sein.“
    „Ich weiß.“
    Die Frau nahm Ihre Brille ab. „Hören Sie mal, Kindchen, ich muss Sie das fragen, auch wenn es nicht so schön ist wie der Rest von unserem Plausch. Sind Sie sich sicher, dass Ihr Mann überhaupt noch lebt?“
    Alma zögerte. Sie spürte, wie ein Schluchzen in ihrem Hals aufstieg. Sie schüttelte den Kopf.
    „Aber Sie haben nie eine Benachrichtigung von den Reichsbehörden bekommen, dass er gefallen ist?“
    Sie schüttelte wieder den Kopf.
    „Immerhin etwas. Dann wollen wir Ihnen mal die Hoffnung nicht gleich nehmen.“
    Sie drehte das Formular aus der Schreibmaschine und gab Alma den Durchschlag, auf dem blasse, hellblaue Buchstaben standen.
    „Das ist für Sie. Muss alles seine Ordnung haben. Gehen Sie mal nach hinten durch .“
    Alma folgte ihrem Finger mit den Augen.
    „Da, wo die anderen Frauen stehen. In den Blechk ästen hinten an der Wand sind die Karteien mit Vermissten. Einem Teil natürlich nur, so viele wie fehlen. Der eine ist Militär, links der , das sind die Front-Vermissten . Die anderen Zivilbevölkerung. Von links oben nach rechts unten müssen Sie gehen, immer im Alphabet. Das können sie ja wohl, bei Ihren Deutsch-Kenntnissen. Die Ks sind ziemlich in der Mitte.“
    „Danke“, sagte Alma leise und wandte sich ab.
    „Warten Sie noch einen Moment. Sagten Sie nicht, Sie kannten sich in Bessarabien aus?“
    „Meine Familie hat do rt gelebt. Vor dem Krieg. Bis 1940. “
    „Sagt Ihnen der Name Rüb etwas?“
    „Gehört habe ich ihn schon. Da gab es einige Familie n Rüb. Aber niemand, den wir kannten.“
    „Einer von denen hat jetzt ein Hilfswerk aufgemacht. Einer von diesen Bessarabe r n, hatte ein Unternehmen oder was , mit Feldmaschinen, sagt man . In Stuttgart sitzt der, meine ich, das gibt es noch nicht lange. Gehen Sie schon mal nach hinten durch. Ich schreibe Ihnen die Anschrift auf. An die können Sie sich auch wenden, wenn Ihr Mann von da ist. Schreiben Sie einen Brief. Eine Postkarte meinetwegen. Schaden kann es nicht. Aber dass Sie sich große Hoffnung machen – nein, würde ich Ihnen abraten. Dringend. – Gott,

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