Braeutigame
Gardine mit Blumen zwei Kleider für jeden Tag. Ich könnte es nicht , aber für Lilli ist es alles einfach, sagt sie, mit Nadel und Faden kann sie gut umgehen. (Dafür hat i hr das Kochen und Backen nie liegen wollen.) Die Zeiten sind nicht gut, und doch ist sie schön angezogen, dass die Frauen ihr nachsehen, und sie tun es so neu gierig, dass man nichts anderes denken kann, als dass sie auch die Sachen haben möchten, die Lilli am Leib träg t. Den ganzen Tag geht es Ticketti-ticketti-tick mit ihrer Pfaff. Sie sieht glücklich aus, wenn sie dort sitzt, konzentriert, wie Georg mit den Tieren.
In Liebe, stets Deine Dich liebende Alma
Wenkenbek, 16. November 1948
Lieber Heinrich,
manchmal bin ich froh: Einiges Glück ist im Leben umsonst, und es kommt mitunter unerwartet, wenn man am wenigsten damit gerechnet hat. Unverhofft kommt oft, sagt man, und so ist es mir ergangen: Ich singe wieder, Heinrich! Es ist nicht so sehr, weil mir frö h lich ist ums Herz, denn das ist es nicht. Es ist, damit ich wieder froh werde. Es hilft, und es hat mir immer Freude gemacht, auch damals bei Lobgott schon, obwohl mir die Gabe gefehlt hat.
Es war ein Gedanke von Konrad Lampe & ich zweifle inzwischen nicht mehr & glaube , dass es richtig war, auf ihn zu hören. Nun muss ich Dir, damit Du es verstehen kannst, von me iner neuen Freundin erzählen, Regina Wilson. Sie ist amerikanisch (ihr Mann, der im Konsulat arbeitet, auch), und man muss Re-dschei-na sagen, damit es richtig ist. So spricht man es auf Englisch aus. Ich habe nun ein, zwei Sätze gelernt von ihr. Es ist eine eigene Sprache, anders als Rumänisch, Russisch, selbst Türkisch, ohne Ähnlichkeit.
Den Wilsons geht es sehr gut. Sie haben viel Geld, sie werden von den Amerikanern (und auch den Engländern hier) mit allem versorgt, mit Lebensmitteln aus dem Ausland und sogar Wein und Sprudelwasser aus den Bergen . Sie müsste nicht unterrichten, wenn sie es nicht wollte, aber sie ist überhaupt nicht eitel, eine angenehme Frau, um die fünfzig (ich habe sie nicht gefragt), und sie hat zwei erwachsene Kinder, einen Sohn in den Vereinigten Staaten auf der Universität und eine Tochter, die im vorigen Jahr geheiratet hat, in Texas, was einer ihrer Landesteile ist, mit Rindern und guter Landwirtschaft.
Sie ist mit rechter Leidenschaft bei der Sache & und eine begnadete Sängerin, wirklich. (Nur mit den Texten fällt es ihr manchmal schwer, die deutschen Worte, und ich kann ihr ein wenig bei der Aussprache helfen, so haben wir beide etwas davon.) Konrad hat es also arrangiert, dass ich sie in ihrem Musikzimmer treffe. Es ist in einem Haus an der Alster – ein See, viel größer als unser Weiher daheim, viellei cht fünf Werst lang und mit rein em Wasser und sicher auch vielen Fischen. Er hat es so eingerichtet, dass ich am Freitag nach Hamburg komme und in einer seiner Dachkammern übernachte, und am Sonnabend dann bei Regina übe. Ich habe ein schlechtes Gewissen . ( Minna habe ich nichts davon erzählt, sie wäre eifersüchtig, fürchte ich . ) Aber es macht mir so viel Freude, dass ich auch nicht nein sagen konnte. Bitte sei mir nicht böse deswegen.
Als ich das erste Mal zu Frau Wilson ging, war sie gleich zu spät. Ich wartete, und sie kam irgendwann, in Eile und erh itzt, und es tat ihr leid und sie sagte: ‚Ach, Frau Kraft, wissen Sie, was mein Mann immer sagt? Schöne Menschen brauchen immer etwas länger, bei allem. ‘ Was sie meinte, war, dass sie etwas langsam ist. Sie sagte es so frisch und gerade heraus, dass ich laut lachen musste. Denn sie ist gar nicht eingebildet (und sie ist eigentlich auch nicht schön, die Nase ist doch ein rechter Kolben, dass all es irgendwie durcheinander geraten ist in ihrem Gesicht. Aber wir sollen nicht urteilen. – Ihre Kleider sind nach dem letzten Schrei & und ganz sicher sehr teuer & und sie benutzt viel Kölnisch es Wasser wie eine vornehme Dame.)
Sie machte sich dann kurz frisch, setzte sich in einen weichen Sessel mit Häkeldecke und bat mich, einfach etwas zu singen. W egen der Stimmlage, denn Menschen – also die Frauen wie die Männer – haben unterschiedliche Stimmlagen, und sie wollte es einmal heraushören. Ich sang dann das Bist du bei mir , das ich mit Lobgott früher geübt hatte, es ist von Bach, ein schönes Stück. Ich sang es zuende, ohne Begleitung, und sie saß nur da und sagte gar nichts, es war mir seh r peinlich & ich wollte davonlau fen. Regina hatte ihren Tee nicht angerührt, als
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