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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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Du Dich an den Geruch, wenn Frau Ziegelmacher gebohnert hatte? Die Schuhe von den Leutchen, die im Amt zu mir kamen, quietschten auf dem glatten Boden, ich höre es n och in meinem Kopf. Ich weiß nicht, was sie genau w ollten, helfen wohl, es sind nicht alle Menschen schlecht – ich konnte kaum aus den Augen schauen. Eine Frau war dabei, eine sehr nette, vielleicht an die sech zig Jahre alt . S ie sagte gar nichts, hielt mich nur in ihren Armen, ich in meinem Mantel mit meinem Tuch um den Kopf, und sie hielt mich, und sie hatte gar nichts Warmes übergezogen, sie muss gefroren haben mit mir auf dem Gang. Ich weinte wohl eine Viertelstunde lang – oder … ich weiß es nicht einmal . Eine Viertelstunde vielleicht, vielleicht kürzer, vielleicht länger. Eine Viertelstu nde für ein Leben, es muss so lange gewesen sein – so kurz. Ich erinnere mich nicht genau. Mein Kopf war durcheinander, wie bei einer Krankheit, wenn man im Fieber liegt.
    – Ja, am Morgen war ich auf dem Amt. Ich habe sie alle angelogen, und ich habe gesagt: Er ist tot . Es gab keinen Sarg, den die Erde aufnahm, kein Feuer, nichts. Ich bekam nur einen Zettel mit einem Stempel in violetter Tinte ausgehändigt, die streng nach Spiritus roch. Den gaben sie mir, und sie sagten, jetzt könnte ich wieder heiraten. Der junge Mann im Amt – keine zwanzig , würde ich meinen, er war sicher niemals an der Front gewesen – sagte, er freue sich für mich. Er lächelte auf frische, jungenhafte Art, so verletzend in seiner Unbedarftheit, dass mir die Trän en in die Augen schossen, er hätte ja fast mein eigener Junge sein können. Heinrich, was soll nur werden mit uns? Nun weiß ich nicht, ob ich einen großen Fehler begangen habe oder ob es richtig war. Man kann es nicht mehr zurücknehmen, haben sie gesagt, es ist für immer. Tot ist tot. Nur wenn einer doch noch kommt, also ( wenn man so will ) aufersteht von den Toten, dann nehmen sie es zurück. Aber ich darf es nicht mehr, obwohl ich Deine Frau bin. Oder war. Alma

 
    Hamburg-Altona, 2. Januar 1950
     
    Mein geliebter Heinrich,
     
    Du bist immer bei mir und wirst es immer sein, dessen sei Dir gewiss.
    Es ist ein neues Jahr, sogar ein neues Jahrzehnt, und wir wollen hoffen, dass es Gutes bringt nach all dem Schlechten, das vorausgegangen ist.
    Gestern habe ich geheiratet, am Neujahrstag. Es ist aber kein Verrat a n Dir, Heinrich. Es ist eine ganz andere Sache. Konrad würde mich schimpfen, wenn er dies hier fände und läse. Natürlich weiß er von Dir. Weiß, was man so weiß. Die Liebe, der Krieg, das Kreuz, jeder sein eigenes.
    Lieber Heinrich, so bitt e ich Dich: Leg Dich schlafen in meinem Herzen. Ich kann doch nicht mit einem Schatten sein, muss irgendwie dieses Leben leben & hinter mich bringen. Es hat mich niemand gefragt, ob ich es so wollte oder nicht.
    Er ist ein guter Mann, vielleicht ein sehr guter Mann – ich werde sehen? Aber er hat eines nicht: Er hat nie etwas verloren, etwas Kostbares, Köstliches, an dem sein Her z so hing wie an nichts anderem, auch nicht seine Frau, sie war sehr vornehm, und sie hatten von Anfang an ein kühles Verhältnis. Er ist so erfolgreich, Heinrich, er hat ein richtiges Unternehmen, und er handelt. Herr Krause – das ist sein Chauffeur, er hat jetzt einen Kleingarten in Barm bek, in einer Kolonie, ein Laubenpieper ist er, sagt man – hat mir erzählt, dass Konrad sogar Schiffe im Hafen hat und auf der hohen See. So sagen die Leute. Ob es stimmt, weiß ich nicht. Mit mir spricht er darüber nicht. Ich verstehe solche Angelegenheiten ohnehin nicht, das hat er einmal gesagt, und er hat wohl Recht. Hab und Gut, das soll nicht zwischen uns stehen. Aber ich kenne nun seine Firma, sie heißt H. Lampe & Sohn GmbH & Co. KG. Es steht oben am Eingang in dem rot gemauerten Haus im Hafen, in dem sie arbeiten. Es ist eine Reederei, und deswegen haben sie mit Schiffen zu tun.
    Konrad geht es gut, aber er ist im Herzen – niemals würde es das zugeben – eine unschuldige Natur, ohne Wunden, ohne Narben. Heinrich, ich bin jetzt lange über dreißig. Du weißt ja, wie es geht mit uns Frauen. Weißt du noch, was Oma Mathilde immer gesagt hat? „Ein Glühwürmchen im Bett ist besser als ein Stern am Himmel “, hat sie gesagt. Früher verstand ich nie, was sie damit meinte.
    Ich schreibe: Du, Heinrich – wie vertraut – und komisch. Und ich möchte und werde Dir immer weiter schreiben, denn Du bist ein großer Teil meines Leben s . Ich bewahre Dich in meinem Herzen,

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