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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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sie zuhörte, nicht einma l die Kekse, mit gutem Fett gebacken . Ich sah nur zu Boden und merkte, wie ich rot wurde. Es war zu schrecklich. Ich sagte dann, dass ich wüsste, was sie nun sagen wollte, und sie wurde ganz forsch. ‚Was? ‘ , sagte sie laut, ‚ was wissen Sie? ‘
    Und ich sagte, dass ich einfach keine Gabe habe und dass mein früherer Lehrer, also Lobgott, es auch immer gesagt hatte. Dass ich es nicht gut konnte. – Aber ich will ja auch nicht singen, weil ich es so gut kann, s ondern weil es mir Freude macht tief drinnen im Herzen. Weil ich mich dann besser fühle, wie zuhause manchmal.
    ‚Singen Sie mir et was anderes ‘, sagte sie und fragte mich, ob ich einen Schumann kenne n würde – einen Komponisten. Als ich ihren Mozart auch nicht kannte, nur dem Namen nach, fiel sie aus allen Wolken. ‚Du gute Güte ‘ , sagte sie, ‚da sind Sie schon einmal deutsch und kennen nur Bach. Du gute Güte. ‘ Das war komisch – aber das Beste kommt nun, denn dann sagte sie: ‚Was haben Sie denn die ganze Zeit nur gemacht mit dieser göttlichen Stimme ? Immer nur Kantaten?‘ Dann lachte sie viel zu laut und fragte, wo g enau ich her war, und ich erzähl te es ihr.
    Es ist nun nicht, dass ich eitel sein will, Heinrich. Bitte sieh es mir nach. Es hat mich nur so gefreut, dass ich die Freude in meine Brust strömen spürte. Es war herrlich, das Schönste seit langem.
    Nun haben wir beschlossen, etwas von Mozart zu singen, aus einer richtigen Oper. Wolfgang Amadeus Mozart. Es ist ein drolliges Stück – eine Prinzessin und ein Prinz, eine falsche Königin und ein böser Mohr –, ich habe noch nicht alles durchgelesen. Aber die eine Stelle ist lustig, es singen drei alte Weiber durcheinander. Ich habe lachen müssen, als ich es las, es war zu komisch. Wie unsere alten Frauen beim Schlachten im Hof, wenn sie den Vögeln die Federn und Flaumen aus dem Leib pulten.
    Frau Wilson sagt, dass ich wahrscheinlich ein lyrischer Sopran bin. Sie meinte auch, sie wäre nicht die richtige Lehrerin für mich, und ich habe lange reden müssen, dass sie sich mit mir abgibt. Es geht ihr ja nicht um das Geld.
    Als ich ging, gab sie mir Kekse mit, und ich aß sie auf der Straße, und ich lachte, es sprud elte nur so aus mir heraus, ich war so glücklich, Heinrich. Mir hü pfte das Herz.

 
    Wenkenbek, 1. Juni 1949
     
    Mein geliebter Heinrich,
     
    ich sage „geliebter“, und ich weiß doch nicht, was es heißt und bedeutet, heute und in der Zeit, die sein wird. Ich liebe Dich so sehr, m ein Mann, immer noch, nach all der schrecklichen Zeit.
    Aber am Morgen war ich auf dem Amt, auf dem Bezirksrathaus in Altona. Es war ein schöner Ta g, der Himmel ganz blau , und vor dem Gebäude – ein großes Haus ist es mit fünf oder sechs Stockwerken, alles modern aus Beton – vor dem Eingang, wo auch die Autos halten, haben sie einen Springbrunnen gemacht, in einem runden Becken mit einem einzelnen Strahl in der Mitte, der gerade nach oben sprudelt und lustig plätschert, dass es eine Freude anzus ehen ist. Ja, da ging ich dann hin ein, in dieses Amtsgebäude, und da habe ich Dich für tot erklärt. Ich habe es all ein gemacht – wen hätte ich mitnehmen sollen, selbst wenn ic h gewollt hätte? Konrad hätte meine Gefühle nicht verstanden. Und das Kind? Ach, Heinrich, ich hätte es nicht vermocht, wenn ich es bei mir gehabt hätte. Die Kraft hätte mir am Ende gefehlt, den Zettel zu unterschreiben, den sie mir gaben. Es geht doch nicht nur um mich.
    Vielleicht bist Du nicht tot. Ich weiß es nicht. Ich hoffe doch – ich hoffe doch noch immer –, dass Du lebst, irgendwo im Osten bei den Russen, dass es Dir gut geht an Leib und Seele, dass Du an mich denkst und mich magst, so wie ich an Dich denke, Tag für Tag, und Dich liebe.
    Ich kann ja nicht wissen, wie es um Dich steht, Heinrich, es sind so viele Jahre. Aber ich habe unterschrieben, dass Du tot bist, und das Amt sagt, dass es offiziell ist, wenn man unterschreibt. Dass unsere Ehe nichtig ist. Dass unser großer Gott einen Fehler gemacht hat, als er vergaß, Dich der guten Ordnung halber abzumelden. Ich habe geschrieben, dass es Dich nicht mehr gibt – und selbst wenn es Dich noch gibt: dass es Dich in meinem Leben nicht mehr gibt, oder nur noch als Erinnerung. Ich muss doch weiterleben, irgendwie, ohne Dich.
    Ich weinte. Mein Gott , wie ich weinte, als ich ging, Heinrich… Ich stand wohl im Flur vom Amt. Es roch streng, wie in Lobgotts Schulhaus in Leipzig – erinnerst

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