Braeutigame
wollten, die könnten e s nicht. Dann singen Sie besser gleich selbst.“
„Wer ist noch in der Stadt? Ist irgendjemand in der Stadt? In den Hotels? Eine vom Theater?“
„Nicht dass ich wüsste.“
„Herrje. Herrje. Wer soll nun Paminen singen?“
„ Tja. Ein Mädchen oder Weibchen…“
„Steiner, hören Sie auf mit Ihren blöden Witzen. Was machen wir?“
„Maestro!“, rie f eine Frau. Regina Wilsons Kopf, eingerahmt von ihrer roten Federboa, zeigte sich in der Garderobentür. „Hier sind Sie! Wo ist unser lieber Sarastro?“
„Hinten irgendwo. Hinter der Bühne. – Steiner, das ist Frau Wilson. Sie erinnern sich, vom Konsulat, die Amerikaner... – Ja, sehr unangenehm, diese Sache. Es ist… wir haben…“
Zwei der Knaben sahen neugierig aus dem Gang in die Garderobe. Sie trugen ihre Kostüme – silberne Roben, Engelsflügel – und tranken Milch aus Gläsern.
„Wir haben jetzt wirklich keine Zeit, Frau Wilson.“
„Weiß ich doch. Was denken Sie von mir? Sie haben schon Ersatz?“
„Nein. Noch nicht. Eben darum pressiert es. “
„Ah. Ich verstehe. Dann… Ich wollte nur sagen: Lassen Sie Frau Lampe singen.“
„Was sagen Sie? Wen ?“
„Alma Lampe.“
„Wer ist das? “
„Die Frau von Konrad Lampe. In der ersten Reihe. Ein grünes Kleid. Grün-türkis.“
„Aus dem Publikum?“
„Sicher, ja. Publikum.“
„Kenne ich nicht. Wer ist das? Wo hat die gesungen?“
„Nirgends. Noch nirgends. Nur bei mir.“
„Frau Wilson, was soll denn das? Wir brauchen eine Sängerin, etwas Richtiges , kein Nachwuchstalent . Das ist hier eine große deutsche Bühne.“
„Aber lieber Herr Läufert … Ich würde doch nicht zu Ihnen kommen , wenn nicht …“
„Kennt s ie die Rolle?“
„Aber ja. Sie singt sie bei mir seit zwei Jahren. Eine wunderbare Stimme.“
„So? Wo ist die Person?“
„Klaus, komm mal rein und stell dein Glas weg.“ Einer der beiden Knaben sah Mrs. Wilson an. „Hol mir bitte die Frau, mit der ich eben hinten war. Mit den langen weißen Handschuhen die. Weißt du, welche ich meine?“
Klaus nickte. „Mach ich“, sagte er. Zwei Minuten später kehrte er zurück, Alma an der Hand hinter sich herziehend .
„Frau Lampe, nun kommen Sie mal hierher“, rief Regina. „ Lassen Sie gut sein, Darling, kein langes Reden, wir brauchen Sie jetzt . Das hier ist Herr Läufert . Intendant. Herr Steiner.“
Sie schüttelten sich die Hände. Läufert wischte sich mit dem Taschentuch durchs Gesicht und sah sie von der Seite an. „Wer sind Sie, Gnädigste ? Sie kennen die Partie? Pamina? “
„Ich? Na ja.“
„Was nun? Ja oder nein?“
„Ich würde sagen: ja. Aber ich möchte mich nicht aufdrängen. Es ist nur, weil Regina Wilson meinte…“
„Sie kennt sie, und sie kann sie. Und wi e sie kann, Herr Direktor. She’ s terrific.“
„Sie sagen das so, Frau Kammersängerin. Einfach mal so… – eine Blamage können wir uns nicht leisten. Schlimm genug, wie es ist mit der van der Moel im Hospital. Lieber lass ich räumen. Sie meinen, die Dame hier…? “
„Meine ich.“
„Könnten Sie nicht selbst…?“
„Ich? Ein Alt soll Ihre Pamina singen? Sie scherzen.“
„Ha, ha… natürlich, nein. D as geht nicht.“
„Ja. Ja… dann... Lampe heißen Sie?“
„Alma Lampe. Aus Altona. Mein Mann kennt Sie.“
„Senat – der? Oder woher?“
„Nein. Lampe aus dem Hafen. Er sagt, Sie kennen sich.“
„Na, es ist jetzt auch ganz egal. Können Sie denn die Pamina überhaupt singen? So, dass sie uns nicht die Bühne stürmen?“
„Ich…“
„Und ob“, sagte Regina. „Und ob Sie das können, Frau Lampe. Ich sage Ihnen: Sie können. Denken Sie überhaupt nicht darüber nach, wo Sie sind. Singen Sie einfach. So, wie Sie bei mir immer singen. Ich setze mich neben Sie, wenn Sie wollen. Wenn Ihnen das hilft. Manchmal muss man…“
„Wieviel Uhr ist es, Steiner?“
„Zehn vor elf.“
„Herrje. Uns läuft die Zeit davon.“
„Wenn wir abbrechen, müssen wir die K arten ersetzen. Vierhundertacht zig.“
„Ja, doch, Steiner. Danke. Was tun? Was tun?“
„Machen Sie es einfach“, sagte Regina mit spöttischem Unterton . „Oder haben Sie viele Alternativen, mein Lieber?“
„Sie geben mir Ihr Ehrenwort, dass Sie mich nicht verschaukeln?“
„Sicher. Mein Ehrenwort . Sie wissen, was das heißt – ich war bei den Girl Scouts . Es sind nur noch drei Nummern mit Pamina. Das schafft sie. Mühelos schafft sie das. Ich gehe davon aus, dass Sie
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