Braeutigame
und am Kischinjewer Bahnhof bei ihm war. Sein Kn echt, der seit sieben Jahren eine Kammer an der Kälber Drift bewohn te, war ein ge duldiger, verschwiegener Zuhörer . Mit Mischka konnte er all das besprechen , was Marga nicht interessierte: Land, das in und um Leipzig zu haben war; w as sie im nächsten Frühjahr ausbringen würden; d ie Preis e für Pferde, Fohlen und Geräte; Gottes verwirrenden Plan; die Moldowaner , Russen, Juden, Bulgaren, Gagausen, Deutschen; die Frauen, im A llgemeinen und im Besonderen.
Mischka stammte aus der Gegend um Ak k erman, hatte hellgrüne Augen, buschige Augenbrauen und gesunde Zähne. Sein Gesicht und die Arme waren von der Feldarbeit braun gebr annt, und die Sonne hatte seine Haare in den zurückliegenden Monaten, wie in jedem Sommer, gebleicht. Freiers Knecht sprach wenig und leise. Wollte man etwas von ihm wissen, musste man fragen, und selbst dann blieb er schüchtern und wortkarg, obwohl er in Sprachen geschickt war. Wie fast alle im Dorf konnte er Deutsch, Russisch und Rumänisch. Aber dank seiner Mutter, die von der Krim stammte, sprach e r auch Ukrainisch und etwa s Bulgarisch, was für Freier bei den Gerbern und Lederhändlern in Kischinjew eine Hilfe war und das Feilschen, Teeglas um Teeglas, erleichterte.
Mischka war ein ehrlicher Mann. Vor einigen Jahren h atte Freier ihm Geld geliehen, n icht viel – Spielschulden, die Mischka in Ak k erman bei einem Schurken hatte. Freier hatte es ihm ungefragt gegeben, als er von seiner Frau davon erfahren hatte, die es wiederum bei einer Bekannten im Ort gehört hatte, deren Magd über drei Ecken eine Base Mischkas war. Dieses Geld hatte Mischka L eu um Leu zurückgezahlt, in grauen Papierumschlägen, die er bei Chaim am Ring einzeln kaufte. Nie hatte Freier seinen Knecht daran erinnern müssen; nie hatt en sie darüber gesprochen. W er im Kleinen ordentlich wirts chaftete und ehrlich ist, dachte Freier, der macht es im Großen nicht anders. Mischka hatte ihn nicht enttäuscht. Wäre er einige Jahre älter gewesen, hätten sie eines Tages Freunde werden können.
Als die Amtsgänge erledigt waren, schickte Freier se inen Knecht auf den Viehmarkt an der Bic voraus, wo er sich nach zwei entwöhnten Füllen umsehen sollte. Freier selbst machte währenddessen einen dringlichen, ihm peinlichen Gang: Er begab sich zum Zahnarzt. Das sagte er nicht einmal Mischka, er schämte sich. Männer brauchten keinen Doktor, hieß es in Leipzig, und wenn doch, dann ein einziges Mal, am Ende.
Im Juni war ihm jedoch bei der Arbeit, als er mit bloßen Händen einen Feldstein aus dem Weg schaffte, ein Teil eines Backenzahn s abgebrochen , woraufhin sich eine eitrige Blase am Zahnfleisch gebildet hatte, die er seitdem an jedem Morgen im Schlafzimmerspiegel begutachtet hatte. Die Entzündung war so groß wie ein Fingernagel und verursachte ihm keine Schmerzen, allenfalls eine Unannehmlichkeit im Mund, wenn er die Blase mit der Zunge berührte und aufdrückte. Sie hei lte allerdings nicht , so dass Freier, da er schon einmal in Kischinjew war, einen Arzt aufsuchte, um die lästige Beule im Zahnfleisch begutachten zu lassen und nach Möglichkeit loszuwerden. Ein Abszess, sagte der, übrigens ganz harmlos. Das Ziehen des Backenzahnstumpfes mit einer Klemme dauerte eine Viertelstunde. Es zischte und roch verbrannt, als der Arzt, ein Dr . Werner Schweizer , die Blase mit einer heißen Nadel aufstach. Freier spürte, wie Flüssigkeit, nach Eiter und Blut schmeckend , unter seine Zunge lief. Man möge ordentlich Schnaps trinken, den hochprozentigen Magenputzer, und immer gut durchspülen, sagte Schweizer , als Freier über einem Waschbecken an der Wand ausspuckte und sich das Gesicht reinigte: Das desinfiziere. Und wenn es nicht besser werden sollte – nun, man sei inzwischen vierzig, Herr Freier, nicht mehr jung, da müsse man ab und an ein paar Zähne opfern, so sei der Lauf der Dinge. Im Fall der Fälle möge man beim nächsten Besuch in Kischinjew wiederkommen, dann wären die anderen Backenzähne an der Reihe. Man selbst habe oben auch schon drei davon abgeben müssen, und unten habe man nun künstliche Zähne aus Gold, ganz fabelhaft übrigens, besser als die alten, so gut wie neu. Schweizer öffnete seinen Mund und zeigte sie ihm mit dem Finger .
Freier kratzte sich den Adamsapfel, zahlt e und ging, von der Mitteilsamkeit des Arztes unangenehm berührt .
„Nelken gegen die Schmerzen !“, rief Schweizer ihm nach .
Die Fohlen, die Freier und
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