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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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Manchmal denke ich, dass ich jetzt, wo Konrad nicht mehr ist, erst mein Leben wiederfinde. Ich darf e s niemandem sagen, es klingt furchtbar & undankbar.
    Wir werden noch einmal renovieren. Nicht alles, nur das D r inglichste , das aber gründlich . In Rosinas Zimmer und in den Bädern kleben sieben oder acht Schichten Tapeten an den Wänden. Die machen wir weg und kleistern neu. Von den guten Sachen in Altona holen wir einiges hierher – eine schöne Wurzelholz-Anrichte aus dem Flur, die herrlichen Vasen, etwas Geschirr und Besteck. Auch zwei Gemälde, den kleinen Nolde mit den bunten Blumen und eines von Konrad, er war nun mein Mann. (Das kleine Porträt, wo er auf einem Sessel sitzt, Zigarre im Mund und ein schweres B uch auf dem Schoß. Man ahnt seine Gesichtszüge mehr, als dass man sie erkennen würde. Es ist sehr modern, von diesem schrecklich zynischen Maler.) Die Musik haben wir schon mitgebrac ht, auch wenn die Platten abgenutzt sind und rauschen wie das Meer.
     
    – Ich habe lange nicht geschrieben, mein lieber Freund, länger als zwei Jahre, aber es hat sich wenig verändert. Die Zeit geht anders, seit wir ganz in Brodten sind. Langsamer, eintöniger – und im Rückblick zugleich viel schnel ler. Kaum hat Rosina ein neues Stück Rosenseife in die Porzellanschale in meinem Badezimmer gelegt, ist es schon wieder aufgebraucht. Sie riecht herrlich, aber der Duft ist nach zwei oder drei Tagen verflogen.
    Vielleicht sollte ich mir wieder einen Hund zulegen? Unser Pharao ist schon so lange nicht mehr, und ich trauere ihm nicht mehr nach. Das ist der richtige Zeitpunkt, will ich meinen. Vielleicht sind es auch nur die Sorgen & die dunklen Gedanken. Es ist Februar, alles ist dunkel, schon nachmittags um halb fünf wird es grau und trübe, und ich habe zu kämpfen. Vielleicht sind es noch die Wechseljahre? So s pät noch? Manchmal habe ich inner e Hitze, und die Finger und die Unterarme kribbeln und schlafen ein. Der Arzt hier in Travemünde (ich kenne ihn nicht gut, und er ist auch sehr jung und forsch ) sagt, alle Frauen haben es, es ist nichts. Ich frage mich, ob die anderen auch die dunklen Gedanken haben, aus der Vergangenheit? Ich möchte mit ihm nicht darüber reden. Er ist für die Unterleiber zuständig, nicht für die obere Abteilung.
    Erst hat Minna uns ausgelacht, als wir den Rollstuhl für sie holten, und nun steht sie überhaupt nicht mehr daraus auf. Es ist sicher die Bequemlichkeit. Das ist immer ihre Todsünde gewesen: das Träge & Fa ule. Jetzt kann sie sich k utschieren lassen in ihrem unsauberen Morgenmantel mit Eigelb flecken rauf und runter, den sie jeden Tag trägt, wenn kein Besuch erwartet wird. „ Für wen soll ich mich denn anziehen? “, fr agt sie. „Für Ihre Schwester und für mich“, hat Rosina einmal trocken geantwortet, „damit wir es alle ein bisschen schön haben.“ Da hat Minna aber ge guck t. Sie wird eine richtige Matrone. Herr Krause tut immer, als kriegt er es nicht mit, wenn sie wieder spinnt und sich gehen lässt. Er ist sehr höflich.

 
     
    Mein geliebter Heinrich,
     
    es ist die Woche nach Neujahr. Jø rgensen hat Fische gebracht , mit roten, eiskalten Fingern . (Er trägt keine Handschuhe.) Ich weiß nicht, ob Rosina ihn bezahlt hat. Sie sollte es natürlich tun, aber sie haben ihre eigenen Regeln, mit denen ich nichts zu tun habe. In der vergangenen Woche saßen sie in der Gastst ube und lachten gemeinsam, laut & derb .
    Wie die Zeit vergeht, wenn man dahinlebt. Wer nicht auf die Stunden und di e Minuten achtet, dem kommen schnell die Jahre abhanden, und ich habe zuletzt meine Stunden und Minuten vernachlässigt. Es kommt mir vor, als liefe die Zeit immer schneller. Es kann nicht sein; die Zeit ist immer gleich. Aber es schein t doch so. Weißt du, die letzten zehn Jahre… es ist überhaupt nichts passiert. Trott, Routine nur, nichts Neues, die maulende Minna, das Meer. Morgens wache ich manchmal auf und weiß nicht, in welchem Jahr ich bin und an welchem Ort. (Ich überlege dann, wer in Bonn an der Regierung ist, das hilft. Schmidt Schnauze nun. Wir kannten ihn früher, als Ko nrad noch lebte und Schmidt Abgeordneter war, er ist ja aus Hamburg, aus dem Osten, glaube ich.)
    Ich bin müde. Meine Knie tun mir weh, ich mag nicht aufstehen, denn sobald ich aufstehe, beginnen sie oben rum zu schmerzen. Es muss das Gewicht meines Körpers sein, dass in die Bein e drückt, dabei bin ich doch leicht und werde mit jedem Tag leichter; aber ich trage wohl zu viel an

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