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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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mochte nichts essen, ich habe gar keinen Appetit), würde ich vielleicht immer noch liegen und nichts tun. Ich bin an den Strand gegangen, auf und ab, da wurde es plötzlich wieder besser. Das Meer gibt einem Kraft.
    Auch in der Nacht kommen Schmerzen. Nicht im Unterleib oder in der Brust, wo man meinen sollte, dass es als erstes wütet, weil dort der Tumor liegt. Nein. Es schmerzt in der Seite, rechts, da schneidet es, wenn ich im Bett liege, als hätte ich eine Messerklinge im Leib. Es ist vielleicht die Leber, denke ich. Ich nehme starke Tabletten , und einmal hat Rosina das Rollgestell mit dem Tropf geholt, als es nicht anders ging. A ber es macht mich alles mürbe & ich bin oft gereizt und nicht beieinander. Dann ist es plötzlich wieder vorbei, und ich spüre tagelang überhaupt nichts. Das ist das Beste, wenn der Schmerz nachlässt.
    Am Sonntag bin ich in die Abstellkammer gegangen, wo wir die Truhe haben. Sie ist nur halb voll, altes Zeug alles, die wenigen Briefe und Fotos, die ich vo n ganz früher habe. Auch den schmutzig en Schlüssel von unserem Haus – wenn man es ein Haus nennen konnte – in Liebfelde das, und ich habe noch das braune Gläschen, das Prudöhl mir im Krieg gab. Er sagte, es wirkt sofort. Aber nach langer Zeit wirkt auch Teufelszeug sicher nicht mehr. Wenn ich nicht so ängstlich wäre und wüsste, was genau es damit auf sich hat… Aber so etwas soll ich nicht denken. Darf ich nicht denken. Es gibt doch immer etwas Gutes & Sinn volles, das man noch tun kann zu seiner Zeit. Dem Leben so viel Fülle wie möglich geben – das ist das Beste. Aber man muss es ihm abringen, fürchte ich, auf dem letzten Abschnitt der Reise.

 
     
    Brodten, 30. November?, 1995
     
    Mein lieber Heinrich,
     
    ich weiß nicht, welches Datum heute ist. Es müsste Donnerstag sein. Oder schon Freitag?
    Ich liege. Vor einer Woche bin ich unglücklich gestürzt, über die Schwelle in der Eingangstür. Sie ist ganz flach, ich kenne sie seit Jahren. Aber nun habe ich sie übersehen und bin aus dem Haus gefallen auf die Steinstufe und den Steg. Ich konnte nicht aufstehen und dachte, ich hätte mir etwas getan – etwas gebrochen oder verstaucht. Mein eines Knie ist dick geworden und grün und blau, aber gebrochen war nichts. Herr Krause fuhr mich noch am gleichen Tag nach Hamburg, er war ganz aufgeregt, und sie haben mich geröntg t . Ich wollte hier bleiben, nicht in Altona & und schon gar nicht in der Klinik. Er fuhr mich zurück und trug mich auf den Armen ins Haus, der gute Mann. Ich bin so leicht geworden inzwischen, wie eine Puppe.
    Nun wollen sie mir doch die Haare nehmen und mich die Therapie machen lassen. Dr. Thews redet mir zu , er ruft immer wieder an ; ich bin unschlüssig. Er hat mir alles erklärt. Ich soll zweimal in der Woche zu ihm kommen, sechs Wochen lang, in die Praxis in der Caffamacherreihe. Gleich nach Neujahr, am 2. Januar, will er a nfangen. Es geht ambulant , man muss dafür nicht einmal ins Krankenhaus, obwohl es eine gefährliche Krankheit ist, und dort beim Dr. Thews lege ich mich dann bequem auf eine Liege, bekomme eine Decke umgewickelt und eine Nadel in den Arm. Man soll es überhaupt nicht merken, wenn dieses Mittel in einen hineintröpfelt. Jedenfalls nicht, solange man dort liegt. Die Übelkeit kommt beim Aufsitzen und Aufstehen und vor allem in der Nacht. Die Kathrin wird es machen. Das ist die As sistentin von Dr. Thews, ein junges Mädchen, vielleicht Mitte zw anzig und dunkelblond und hübsch gebaut, etwas zu schlank fast . Wenn das Haar ausfällt (es ist nicht bei allen so, aber bei vielen), werde ich wohl eine Perücke tragen müssen. Da wünscht man sich, man wäre nie geboren worden, wenn einem so etwas widerfährt.
    Vielleicht sage ich auch ab – was soll es, in meinem Alter? Ich hatte mich so daran gewöhnt zu warten – mein ganzes Leben habe ich gewartet, und jetzt, wo es nichts mehr zu warten gibt, spüre ich keine Freude mehr. Das Gemeine an dieser Krankheit – sicher an jeder schlimmen Krankheit – ist die Enge des Blicks. Es will mir nicht mehr gelingen zu denken, weit in die Zukunft zu denken. Ich möchte manchmal nicht weitermachen. Wenn ich nicht wüsste, dass es eine Sünde vor dem Herrn wäre, ich weiß nicht, was ich tun würde. Aber es steht uns nicht zu.
    Eben habe ich gedöst und an unsere Heimat gedacht, die gute Zeit dort. Da geht es zuende, und ich hänge noch immer daran. Ich habe mir mit Rosina die Landkarte angesehen und eine Idee gehabt. Erzählt

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