Braeutigame
habe ich bisher niemandem davon, nicht einmal den Kindern. Aber wenn ich es recht überlege – der Gedanke gefällt mir. Die Grenzen sind gefallen. Es ist eine andere Welt, in der wir leben. Schon wieder eine andere.
Zu Weihnachten haben wir die ganze Familie nach Brodten eingeladen. Ich schreibe „wir“, wenngleich es Minna egal ist . Rosina hat sie alle angerufen, L illi u nd Kali, Theo und Véronique, Georg in den Vereinigten Staaten. Ich habe seine Söhne nur ein einziges Mal gesehen. Ich habe ihm Geld geschickt, dass er es bezahlen kann, aber er wollte es nicht & und wird es zurückschicken . Er hat seinen Stolz. Er war aber nicht beleidigt & kommt, mit den Kindern, ohne seine Frau Trudi und die Schwiegertöchter . Ich weiß nicht, warum sie nicht wollen . Vielleicht ist e s, weil sie kein deutsch sprechen , dass sie sich mit uns unwohl fühlen würde n. Sie wohnen natürlich nicht bei uns im Haus, es ist zu klein. Aber Rosina hat in Timmendorfer Strand und in Scharbeutz bei den Hotels angefragt und in einem Haus Buchtel reserviert. Es sieht innen und außen recht hübsch aus, aber es macht nicht allzu viel her. Zum Frühstück stellen sie Butter und Marmelade und Käse auf den Tisch, alles in Plastik und Folie verpackt, und den Abfall soll man in einen Mülleimer werfen, der mitten auf dem Tisch steht, mit einem Schwingdeckel, auch aus Kunststoff. Es ist nicht schön, aber es muss nun gehen. Zu den Feiertagen herrscht viel Betrieb. Vierzehn werden wir zu Weihnachten sein, Rosina und Herrn Krause mitgezählt.
Georg und seine drei Söhne kommen als erste, aus Amerika, vier Tage vor Heiligabend. Krause holt sie mit dem gro ßen Wagen in Fuhlsbüttel ab und trägt die beiden schwersten Koffer. Er unterhält sich mit Georg, der neben ihm sitzt, weil die jüngeren Herren auf der Rückbank nur Englisch sprechen, obwohl sie deutsche Namen haben und Rosina ihm erzählt hat, dass sie Deutsch könn en. Sie lachen laut, und Krause versteht nicht, was sie sagen. Georg übersetzt einiges, aber Krause spürt, dass er gereizt ist , übermüdet . Es kommt ihm vor, als lachen sie über ihn.
„Schön, schön, schön“, sind Georgs erste Worte im Grauen Haus. Er steht auf der Veranda über dem Meer, die Hände auf dem Rücken , wippt auf den Hacken . Der kalte Wind macht ihm nichts aus.
„Du hast einen schönen Platz gefunden, Schwester“, sagt er leise .
„Frau Alma ist in ihrem Schre ibzimmer, Herr Oska r“, sagt Rosina. „Herr Freier.“
„Ahh, Sie sind es, Frau Lemke. Entschuldi gen Sie, ich dachte, Sie wären meine Schwester.“
Rosina lächelt ihn an; sie mag diesen alten, kleinen, rund lich en Mann mit der gesunden Farbe im Gesicht. „Dürfen wir mit ihren Söhnen zum Mittagessen rechnen? Frau Alma hat mich gebeten, einen Nackenbraten vorzubereiten. Mit Klößen und Rosenkohl.“
„Mit wem müssen wir rechnen?“
„Ihren Söhnen? Wollen die mit uns speisen?“
„Ach die. Denke ich mal. Die essen immer, wenn es was gibt.“
„Sie sind sicher müde von der Reise. ..? “
„Dann sollen sie sich kurz hinlegen, sind ja keine Kinder mehr.“
„Nein. Natürlich nicht. Aber ich meinte… Ich werde sie in der Pension anrufen und mich erkundigen.“
„Machen Sie das. Das wäre freundlich, ja.“
„Wie siehst du denn aus!?“, sagt Minna zur Begrüßung. Sie hat ihren Bruder seit sieben Jahren nicht mehr gesehen. Minna steht nicht aus dem Rollstuhl aus.
„Und du erst“, sagt Georg. „Ich hatte dich größer in Erinnerung. Du reichst mir kaum noch bis an den Bauchnabel.“
„Deine Nase ist auch nicht gerader geworden seit dem letzten Mal. Schöner auch nicht.“
„Du alte Meckertante…“
Minna muss schließlich grinsen, Georg auch. Er beugt sich vor und küsst sie auf die Wange. „Rasieren musst du dich auch mal wieder“, sagt er. „Und wie heißt du ?“, fragt er den Dackel auf ihrem Schoß .
„Petrus.“
„Oho. Ein schöner Name , hoch heilig . Und ein schöner Hund. Noch auf der jungen Seite des Lebens, was?“
„S iehst du ja. Nicht ganz zwei Jahre alt .“
„Das will ich meinen. Feines Fell hat er. Der fühlt sich wohl bei euch.“
„Du trägst deine Uhr verkehrt herum, Georg. Die Zeiger gehören nach oben.“
„So?“
„Wenn ich e s sage, kannst du es mir ruhig glauben. Du – w ie heißen deine Söhne noch einmal, Georg? “, flüstert sie. „ Ich kann mir die Namen nie merken.“
„Ernst ist der älteste, Heinz der mittlere und Egbert unser jüngster.
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