Braeutigame
Blöße geben wollte, war v orsorglich beleidigt, wann immer das mysteriöse, gelehrte Wort fiel .
Ziegelmacher war es auch, der handschriftlich vier Wanderzettel angefertigt hatte, je zwei fürs Unter- und fürs Oberdorf, auf denen auf der einen Seite
W E I T E R G E B E N ! !
stand und auf der anderen, dass Margarete Freier geborene Jeschke mit zweiunddreißig Jahren im Kindsbett verstorben sei, gefolgt von dem Vermerk: „Das Kind Arthur, ein Junge, ist notgetauft und noch wohlauf.“ Die Schreiben hatte er an die vier nächstgelegenen Häuser am Ring gegeben. Anschließend war er auf den Kirchturm gestiegen und hatte mit einem Hammer fünf Minuten lang die Glocke geschla gen.
Freier ahn t e, warum Emil Giese kam und d en Schütz mitbrachte. Die Frau war tot, Unglück genug, aber darum ging es nicht. Freier, Margas Erbe, besaß nun zu viel Land, und das würde den Rumänen nicht gefallen, wenn sie es merken würden. Das war nicht wahrscheinlich. Die Beamten in Anschakrak und Kischinjew hatten andere s zu tun und scherten sich nicht um das Land im Budschak. Aber er hatte zwölf Jahre zuvor, als die neue Regierung mit dem Siegel des Königs die Agrarreform durchgesetzt hatte, alles in Bewegung gesetzt, um mehr als die hundert Dessjatinen zu halten, die ihm nach dem Gesetz bleiben sollten. Eine Entschädigung hatten sie allen Großbauern von höchster Stelle in Aussicht gestellt, aber er hatte vom ersten Moment an Zweifel gehabt, die sich schon im folgenden Jahr als berechtigt erwiesen hatten: Sie wurde nie gezahlt; enteignet worden waren die meisten. Er war damals durch die Nacht gefahren, nicht einmal Marga wusste, was er tat, wo er war. In Kischinjew hatte er mehr als hundert Dessjatinen auf seine Frau und auf Alma und Minna, damals seine einzigen Kinder, übertragen. Seitdem hatte er dazugekauft, wenn ein einträglicher Hof freigeworden war – wie im Herbst sechsundzwanzig, als auf einen Schlag mehr als zwanzig junge Leute nach Dakota aufbrachen und einige weitere nach Kanada, Argentinien und Australien, wo sie ihr Glück suchen wollten.
Mit Saubohnen und Leinen hatte er seitdem viel Geld verdient. „Ich bin nur durch Flachs reich geworden“, hatte er Giese in einem unbedachten Moment anvertraut, lange bevor der Primar wurde, und sich im nächsten Augenblick über seine Prahlerei geärgert. „Aber weißt ja, wie es ist“, hatte er rasch angefügt. „Ein reicher Man n in Bessarabien ist ein armer Mann in Odessa.“
„Schon, schon“, hatte Giese trocken erwidert und ihn lange angesehen. „Du warst aber auch ein schlauer Fuchs, Freier, damals, als der Russe rausgeworfen wurde.“
Wie Giese dahinter gekommen war, wusste er nicht. Aber er hatte mit den Rumänen immer s chon gut gekonnt; eine Hand wusch die andere. M it Margas Tod hatte Freier mehr Land, als den Rumäne n gefallen würde. Emil Giese witterte ein einträgliches Geschäft .
Fr eier stand auf und ging in die S tube im Haus , um seinen besten Kräuterschnaps zu holen, den Unicum aus Ungarn, und um kurz allein zu sein, nachzudenken, einen klaren Gedanken zu fassen, keinen törichten Fehler zu begehen. Seit seiner Rückkehr aus Kischinjew hatte er dieses Zimmer nicht betreten, es war keine Zeit gewesen. Angenehm kühl war es in der Stube. Marga hatte die Fenster und Vorhänge zum Breiten Weg geschlossen, um die Hitze draußen zu halten. An der Decke sah er den Fleck, den er seit sechs oder sieben Jahren nicht übermalt hatte, seit das Wasser nachts in einem Sturm durchs Dach gekommen war. Er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Auf der Vitrine mit den Gläsern und Flaschen lag Staub. Die Uhr, oben auf dem Schrank, tickte nicht, die Mädchen hatten vergessen, sie aufzuziehen. In einer Ecke des Zimmers stand Margas Webstuhl neben einem Handarbeitskorb aus dunkelroten Weidenzweigen. Wollknäuel, Stoffres te, kurze Stricknadeln mit einer grauen Socke, von der nur das Beinteil fertig geworden war, ihr Stopfpilz, Garnrollen, Bänder für Unterröcke. Mischka hatte den Korb im ersten Winter, den er bei ihnen verbrachte, für sie geflochten. Freier atmete tief durch, bevor er m it der Flasche in der Hand in die Küche sah .
„ Bring uns eine Schüssel mit S onnrosenkernen raus, Mädchen“, sagte er zu Minna , die am Tisch saß und Pfefferschoten zum Trocknen auffädelte, während Alma, wegen des Schmutzes am anderen Tisch sitzend, Schuhe putzte, die nebeneinander in einer langen Reihe auf dem Boden standen. Freier ging zurück in
Weitere Kostenlose Bücher