Braeutigame
den Hof und schenkte den Gästen ein.
„Da ist die Frau noch nicht unter der Erde“, hörte er Dressner sagen , „und ihr kommt schon und schachert ums Land.“
„E s ist nun, wie es ist, Dressner“, sagte Giese.
„Aber anständig ist es nicht.“
„Halt du dich fein raus. Deine Sache sind die Pferde, nicht das Land.“
„Und? Was macht das für einen Unterschied? Meinst du, ich weiß nicht, wie man sich ehrenwert verhält? An so einem Tag? Nichts als dein Land hast du im Kopf, Giese. Dein Geld. Dein ganzes verfluchtes Geld.“ Dressner stand auf und ging zum Brunnen.
„Und das von einem wie dir, der jeden Morgen als erstes Kasse macht !“, rief Giese ihm nach. „Nun setz dich schon wieder hin. Lass uns nicht zanken. “
„Meine Herren, auf den König“, sagte Freier und hob sein Glas.
„Auf den König“, murmelten sie.
Ziegelmacher hörte zu, ohne selbst etwas zu sagen. Er spielte mit einem Bleistift, den er zwi schen seinen Fingern drehte und gegen seine Zähne schlug. Es machte Freier nervös, und sowohl er als auch Giese und Dressner sahen mehrmals irritiert zum Schütz hinüber.
„Denk in Ruhe darüber nach, Freier“, sagte Giese. „Wenn du was verkaufen willst – die Kleestücke unten oder was – die Äcker mit den Saubohnen meinetwegen. Ich lass e mit mir reden, das wei ßt du. Dann sag es, dann werden es die Rumänen schon ertragen , dass du ein bisschen mehr bewirtschaftest, als du sollst. Die müssen es ja nicht wissen. Wir müssen zusammenhalten. Wir sind alle von einem Blut.“
Am nächsten Vormittag kam Pastor Pomreinke a n die Kälber Drift – wegen des Seelenheils und um die Frage der Beerdigung Margarete Freiers zu kläre n. Früher wäre es nicht gegangen, entschuldigte er sich, als er schwer atmend in der Stube im Sessel Platz nahm. Freier wüsste ja, wie weit er von Anschakrak habe kommen müssen und der Poschtar hätte sich verspä tet, weil ein Pferd auf dem Weg ein Eisen verloren hätte, das er auf offenem Feld hätte nageln müssen.
Johann Pomreinke war mit Unwohlsein ins Haus der Freiers gekommen. Nicht, weil er Todesfälle mied; die gab es schließlich immer, und er hatte mehr Seelen unter die Erde und in den Himmel gebracht, als er sich mit seinen fast fünfzig Jahren in Erinnerung rufen konnte. Er hatte schlicht vergessen, um welches seiner Schafe es sich bei Margarete Freier handelte. Er erinnerte sich nicht, sie je gesehen zu haben.
Freier sollte es, Gott bewahre, nicht persönlich nehmen. Er hätte ja das Große Kirchspiel in Anschakrak zu betreuen mit d en deutschen Kolonis tendörfern ringsum, gut fünf tausend gläubige Seelen alles in allem, Mennoniten und Sektierer nicht mitgezählt, und er käme nur ein- oder zweimal im Monat nach Leipzig, Freier wüsste das natürlich, und die Laienprediger hi er machten ihre Sache doch anständig und im Sinne des Herrn. Um die weniger wichtigen Todesfälle kümmerten die Herren Aushilfen sich an und für sich ja auch, fügte Pomreinke hinzu, all die Kinderlein und die Knechte und die Mittellosen, aber er hätte sofort alles Notwendige veranlasst, um nach Leipzig zu kommen, als er durch Hellmuth Lobgott vom plötzlichen Tod Margarete Freiers erfahren hätte.
Wie es denn gewesen wäre, das Weib, und ob das Kind noch lebte?
Pomreinke wäre ein wahrhaftiger Mann, sagten die Frauen im Dorf, ein wortgewaltiger Pastor, den ihnen Gott in seiner Gnade gesandt hä tte. Die Männer nickten dazu stumm, wohl wissend, da ss jeder Protest vergeblich sein würde . Doch die Sonntagsp redigten ihres Gemeindehirten ließen sie mit der Müdigkeit in den Gliedern kämpfen, die eine Woche Arbeit hinter sich hatten. Es half nicht, dass Pomreinke auf der Kanzel gewählt langsam sprach, der Würde wegen. Sie sangen – immer – alle Strophen, lasen den Wochentext der Brüdergemeine, hörten die Bekanntmachungen und beteten Vaterunser und Glaubensbekenntnis, all dies, bevor Pomreinke das Predigen begann. Zum Schluss, gegen zwölf Uhr mittags, war es keine Erbauung mehr. Ihnen knurrten die Mägen.
Und dann Pomreinkes Frau, die Nelly hieß, und was, bitte schön, war das für ein Name? Diese Nelly war in Hermannstadt in Siebenbürgen aufgewachsen, hatte das Frauengymnasium besucht, sprach geziertes Hochdeutsch und trug ihr graues Haar kurz und nie ein Kopftuch. Wäre sie nicht Frau Pastor gewesen, hätte man sie für eine Wilde , Liederliche halten können . Sie kam nur selten mit ihrem Mann nach Leipzig, höchstens zweimal im Jahr.
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