Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
Vom Netzwerk:
ununterbrochen mit den Fingern durch den langen Ba rt. Rechts von ihm saß Wladi , und rechts von dem hatte, ein Taschentuch in Bereitschaft, die alte Zedel Platz genommen, die immer ihre Sprachen durcheinanderbrachte und während des Gottesdienst e s am lautesten heulte, obwohl sie das Licht des wahren Glaubens noch nicht gesehen hatte. Die Bulgarin konnte weder lesen noch schreiben, hatte aber einen Ruf als Krautkundige, vor allem bei den Männern im Dorf, die darüber kein Wort verloren, und sie hatte im Laufe ihres Lebens allem auf die Welt geholfen, was sich helfen ließ – Kindern und Kälbern, Ferkeln und Lämmern, Welpen und Kätzchen, die sie mit faltigen Finger n aus der Dunkelheit holte. Wenn Irma Schilling auf die Zedel traf, sah sie durch sie hindurch oder versuchte es wenigstens. Es hieß, die Bulgarin könnte hexen, jedenfalls bei Frau Schilling.
    Nun heult das Zigeunerweib sich die Seele aus dem Leib, dachte Hellmuth Lobgott, der auf der Orgelbank auf der Empore saß und, statt Pomreinke zuzuhören, die Noten des nächsten Chorals überflog. Dabei war sie nicht einmal bei der Geburt dabeigewesen. Den Freier-Jungen, den jüng sten, bei dem die Mutter heimgegang en war, hatte doch Irma Schilling geholt.
    Die Gemeinde hatte das Amen am Schluss von Pomreinkes Trauerpredigt noch nicht wiederholt, da brauste Lobgotts Orgel, sein geliebtes Meisterstück von E. F. Wal cker u. Cie . in Ludwigsburg, auf und holte all jene zurück, die unten eingedöst oder in Gedanken waren. Näher mein Gott zu dir , sangen sie, und der Küsterlehrer gab dem Schütz, der drei Schritte neben ihm auf der Empore saß und ein verbissenes Gesicht machte, ein Zeichen: Ziegelmacher sollte nur ordentlich in die Orgelpedale treten, damit sie das heulende Bulgarenweib endlich nicht mehr hören mussten.
     
    Mischka und Hed wig Ahner waren vom Friedhof eilig mit dem Wagen a n die Kälber Drift zurückgefahren, um die letzten Vorbereitungen vor der Ankunft der Trauergäste zu treffen. Freier hatte ihnen am Morgen einen besonderen Auftrag erteilt, und sie hatten ihm schwören müssen, kein Wort darüber zu verlieren, zu niemandem, nie, solange sie lebten. Den besten, reinsten Wodka hatten sie im Kontor mit Wein vermischt und in F laschen abgefüllt. Nur der junge Giese sollte diesen Wein bekommen, hatte Freier gesagt, und sie sollten dem nur immer schön das Glas nachfüllen, er trank ja viel und vertrug wenig, Emil Giese würde es gar nicht merken, und Hedwig sollte aufhören, so zu glotzen.
    Die Gäste kamen zu Fuß oder im Wagen von der Kirche den Breiten Weg herunter und setzten sich an die Tische, die sie im Hof zwischen dem Flieder und der Sommerküche aufgebaut hatten. Es gab keine Reden, und die ersten aß en, sobald sie saß en , ohne auf die Nachzügler zu warten. Mit mehr als sechzig Leuten rechne ten sie, da mochte man nicht sitzen, bis alle eingetroffen waren und ihren Platz gefunden hatten, das gute Essen würde kalt werden. Ziegelmachers Frau reinigte sich die Zahnzwischenräume mit einem Briefkuvert, als die letzten Gäste von der Straße in den Hof kamen, Chaim Fiedler , seine Frau und der alte Giese am Stock. Hedwig u nd Elwira Dressner brachten Schüsseln mit zerlegten Brathühnern und Kaninchen und Schalen mit G urken, Pad laschana, Pfefferschoten und Schafskäse, während Alma und Minna in der Küche Ölkuchen in Butter und Schweineschmalz buken, die Georg und Mischka, sobald sie fertig waren, nach draußen in den Hof trugen, „heiß und fettig“ rufend und grinsend, trotz des traurigen Anlasses . Die Männer an den Tischen schnitten mit ihren Klappmessern Harbusen in Scheiben. Für den Nachtisch hatte Oma Mathilde drei Bleche Mohnkuchen in den Ofen geschoben, der sogar der nörgeligen Witwe Stelter schmeckte, die mit allem geizte, auch mit Lob.
    Für das Ausschenken des Weins waren Hedwig und Mischka zuständig. Sie achteten darauf, dass kein Kind mehr als ein Glas bekam, Emil Giese dafür reichlich aus der Spezialflasche .
    Am Abend, als die ersten Trauergäste wieder gegangen waren, fanden sich k leinere Gruppen zusammen . Die Frauen standen in der Sommerküche , machten den Abwasch und holten , als es nichts mehr zu tun gab, ihre Handarbeiten hervor. Die Männer blieben im Hof sitzen, tranken Schnaps und rauchten, während über ihnen lautlos Fledermäuse durch die Luf t flogen. Einige große Burschen in schwarzen Hosen und weiten, weißen Hemden spielten i n der Durchfahrt Maulharfe und Blasbalken. Nicht heiter

Weitere Kostenlose Bücher