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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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war di e Stimmung, das verbot die Pietät , aber doch gelöst. Selbst Oma Mathilde wippte sch ließlich ihre alten, dicken Finger zur Musik und summte die Melodien mit.
    Emil Giese saß an seinem Tisch, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und presste ein leeres Weinglas gegen seinen Bauch. Er schwitzte, rot im Gesicht. Zur Leich hatte er Knickerbocker ang ezogen, die er in Burn as gegen den Rat seiner Frau gekauft hatte. Für die anderen Leipziger sah er darin so komisch aus, dass sie ihn seit Stunden wegen seiner verbeulten Hosen aufzogen, besonders die Frauen, denen man allen das lose Mundwerk verbieten sollte.
    „Dann geh halt!“, schrie er unvermittelt in der Dämmerung. Ohne ein Wort zu sagen, ließ Walburga Giese, Empörung im Gesicht, seinen Arm fallen, an dem sie ihn hatte wegziehen und nach Hause bringen wollen. Sie stand auf, warf ihren Kopf nach hinten und stapfte grußlos aus dem Hof.
    „Ich bleib’ noch, Walli“, rief ihr Mann ihr hinterher , viel zu laut, dachte sie. „Freier… Hee, Freier… hast noch was von eurem Wein? Du da… Mischka,  ko mm du mal her mit deiner Flasche …“
    Pastor Pomreinke hatte sich vorgenommen, bis zehn zu bleiben, man musste Vorbild sein, Freier war schließlich ein wichtiger Mann, da hatte man sich zusammenzunehmen und mit den Leutchen zu reden , damit niemand einen falschen Eindruck bekam und einen für hochmütig hielt. Als die Glocke vom Kirchturm schlug, verabschiedete er sich und brach zu Fuß zum Ring auf, wo er in einer Kammer in Lobgotts Küsterhaus schlief, um nicht am späten Abend in der Dunkelheit mit dem Poschtar nach Anschakrak zurückkehren zu müssen. Damit war die Feier offiziell beendet, und die Gäste , die noch im Hof saßen, standen nach und nach auf, lobten das Essen überschwänglich, rauchten doch noch eine der Zigaretten, die Daniel Freier in einer flachen Holzschachtel herumreichte, ließ en sich zu einem letzten Glas überreden und machten sich in kleinen Gruppen auf den Heimweg. Mo rgen ginge es wieder früh los. D ie Ernte.
    Freier stand mit Mischka am Tor und sah ihnen nach. Er hatte sich vorgenommen, im Hof zu schlafen, unterm Schardach vor dem Pferdestall. Das machte er in der Sommerhitze oft, draußen schwitzte er weniger, und sein Bett war leer. Das leise Klappern und Atmen der Pferde in der Nacht würde ihn beruhigen und einschlafen lassen.
    Emil Giese stand als letzter von seinem Tisch auf und fiel im Hof der Länge nach hin.
    Er setzte sich grummelnd auf, wischte sich den Staub von den Hemdsärmeln, stellte sich gerade hin und machte sich ohne einen Abschiedsgruß mit steifen Schritten auf den Nachhauseweg. Träjaska regele, sang er laut: Träjaska regele in pace schi onor, die Nationalhymne. Es lebe der König.
    Konnte der Tollpatsch nichts anderes singen, dachte Freier, als er ihn in der Ferne auf dem Breiten Weg gröhlen hörte. Er grinste.
     
    Gieses Frau Walburga lag in ihrem Schlafzimmer wach und wartete, die Frisur für die Nacht in ein schwarzes, in der Stirn ziependes Haarnetz gebettet, auf ihren Gatten, den Primar von Leipzig. Sie rechnete mit dem Schlimmsten.
    In der Dunkelheit konnte sie auf der Kommode zwischen den Fenstern die blonde Perücke auf dem Hutständer erkennen, ein Weihnachtsgeschenk von ihm, vor fünf oder sechs Jahren, goldene Locken wie bei den Puff-Madames in Paris. Immerhin, es war ein teures Haarteil, das er aus irgendeiner Stadt in Österreich hatte kommen lassen. Sie wusste nicht mehr, aus welcher.
    Sie hörte ihn schon von weitem – poltern und singen hörte sie ihn, ach, ein Geschrei war das, besoffen war er, völlig blau, man musste sich schämen, musste man, die Weiber würden sich wieder die Mäuler zerreißen, und die Mädchen oben, in ih ren Dachkammern… – was sollten die von ihrem Vater, so wichtig und so schwach, denken? Es war jedesmal dasselbe, er trank und trank und kannte keine Grenze, es war ein Elend mit diesem Emil, ein Wunder, dass sie ihn noch nicht abgesetzt hatten, wo er doch Primar war, aber er konnte gut mit den Rumänen, und die Männer hielten eh zueinander, das kannte sie ja, da konnten die Weiber reden, was sie wollten, und sie erst recht. Die Kerle durften sich halbtot saufen an Wein und Schnaps, und wenn die Frauen sie zügelten, hörten sie weg und verschwanden einfach. So war die Ordnung dieser Welt; es war eine Schande.
    Aber sie hatte genug. Ging zur Leich der Marga und kam betrunken nach Haus e , fluchte sie, als sie sich im Bett aufsetzte und mit den

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