Braeutigame
und nicht bewegen. Auf dem Rücken liegen musst du , sagt sie ... S o lange wie möglich im Mund lassen sollst du das Brot. Mit der Zunge n ach oben ins Loch drücken, wenn e s geht und nicht wehtut. Und wenn alle s aufgebrauch t ist, können die Mädchen N eues machen. Brot und Honig, sagt sie ... und Kamillenblüten... und sie lässt zwei… zwei was…?“
Die Zedel wiederholte die Worte.
„Ich verstehe es nicht“, sagte Mischka.“ Zwei von diesen… irgendwelches Kraut von ihr, das in den Beuteln ist, eine Wurzel, glaube ich, und noch etwas anderes, sie will es hier lassen. Zwei oder drei Tage, sagt sie, dann ist die Wunde verheilt.“
„Wird sich das nicht entzünden mit all dem Brot und Milch und dem Pflanzenzeug ?“, fragte Lobgott.
„Njet“, sagte die Zedel entschieden , ohne ihn anzusehen, „nicht Eiter . “ Sie drückte Minna die Nase und lächelte sie an. Dann sah sie, bevor Lobgott oder Freier einschreiten konnten, in Minnas Hand.
„Nun aber nicht diese s Heidenzeug!“, rief Lobgott und ging dazwischen. „Wir halten es hier mit Gott, Frau Zedel, nicht mit dem Baal! Das wissen Sie doch. Dies ist ein christliches Haus. “
Die Zedel seufzte, sah Minna, die teilnahmslos an die Decke starrte, traurig an und stand langsam auf. Sie holte mit schlurfenden Schritten ihr Tuch vom Ofen, legte es sich ü ber die Knie und sammelte die Brotrinden auf dem Tisch ein. Sie blickte erwartungsvoll in die Runde.
„Hat die Kleine Borscht gesagt?“, fragte sie Mischka auf Bulgarisch.
„Hat sie“, sagte er. „Guten Borscht hat sie gekocht. Mit Lamm und Schwecheln. Nicht wie der russische.“
„Hast du gehört, Minna?“, sagte Freier. „Alle zwei Stunden musst du neue Brotkugel n nehmen und lutschen.“
Sie sah weiter an die Küchendecke.
Alma stellte ein en Teller Suppe auf den Tisch, als ihr Vater in sein Kontor auf der anderen Seite des Hofs ging, um Geld zu holen. Dann schrubbte sie die fleckige G abel von Tante Else aus Gnadent al, auf der Minnas Blut getrocknet war, in heißem Wasser.
„Herr Lig K eit“, sagte die Zedel und kaute die Suppe .
Von diesem Tag an hatte Minna Freier ein Lo ch im Gaumen und war k ein vorlautes, hemmungslos schräg singendes Mädchen mehr, sondern launisch und missmutig . Die Wunde verheilte, doch sie schloss sich nicht vollständig. Minna kreischte nicht mehr, wollte nicht mehr singen, weder in der Stunde am Sonntag noch in der Stube am Abend. Ihr kam es vor, als liefen die Töne durch das Loch im Gaumen davon: Sie konnte sie nicht mehr halten.
Lobgott, den ein schlechtes Gewissen plagte, weil er dem Kind den Gesang und die Aussicht auf eine gute Partie genommen hatte, ließ es auf sich beruhen und nahm sie aus dem Chor. Das Sprechen fiel Minna nach dem Sturz für einige Wochen schwer. Bei Tisch aß sie nicht mehr mit der Gabel, sondern mit dem Löffel, selbst das Fleisch, das sie sich vorher in Stücke schnitt. Manchmal blieb sie, wenn sie aufgeregt war, in einem Satz stecken, weil die Worte ihr verunglückten, und im Schlaf fing sie an zu grunzen und zu schnarchen.
Doch in jedem Unglück liegt immer auch der Keim des Guten: Minna beherrschte fortan Kunststücke. Sie lernte das Pfeifen auf den Fingern und konnte es dank des Lochs in ihrem Gaumen bald lauter und besser als Mischka, der im Sommer die Pferde mit Pfiffen von der Weide holte. Und wenn Minna beim Schwimmen im Kogälnik einen Schluck Wasser in den Mund nahm, konnte sie es mit der Zunge nach oben pressen und durch die Nase ausprusten.
Das verschlug allen die Sprache, sogar den großen Burschen, die am Sonntagnachmittag am Fluss angelten . Den Wal, nannten sie sie: Die Schwester von der, die singt wie eine Nachtigall, die prustet wie ein Walfisch. Dann lachten sie, und Minna lachte mit.
Was sollte sie anderes tun? Es war, wie es war.
„Wir haben alle einen Walfisch, der auf uns wartet“, sagte Oma Mathilde.
Kapitel 6 : Der Kogälnik
Le ipzigs Schulhaus lag am Ring : außen rote Ziegeln, innen vier Klassenzimmer, zwei links von der tannen grün gestrichen en, doppelflügeligen Eingangstür, unter der im Winter kalte Luft durch einen Spalt ins Haus kroch , zwei rechts . Im Flur, der sich vom Portal bis an einen Fensterbogen in der R ückwand des Hauses zog, hing ihr Landeswappen an der Wand. Es zeigte alles Wichtige, R ichtig e, Gute im Leben, fand Küsterlehrer Lobgott – wenngleich er pers önlich, wäre er einst unter den Ankömmlingen aus Pommern und Schw aben gewesen und von der
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